Essen. . Feuerwehrleute werden an Einsatzstellen angepöbelt und beleidigt. Essens Feuerwehr-Chef beklagt, dass respektloses Verhalten zugenommen hat.
Feuerwehrleute müssen Gaffer verscheuchen, damit der Rettungshubschrauber mit dem lebensgefährlich verletzten Jungen (13), der von einer U-Bahn in Altenessen mitgeschleift wurde, abheben kann. Wenige Tage zuvor schiebt ein Mann sein Motorrad mit laufendem Motor und brennender Zigarette im Mund mitten durch eine Einsatzstelle am Berthold-Beitz-Boulevard, wo Feuerwehrleute nach einem Unfall gerade die Gefahr durch auslaufendes Benzin bannen. Als ein Feuerwehrmann ihn darauf anspricht, entgegnet der Mann frech: „Reg’ dich nicht so auf, das gibt Magengeschwüre.“
Es sind nur zwei aktuelle Beispiele, in denen sich die Essener Feuerwehr mit respektlosen Bürgern auseinandersetzen muss. Respektloses Verhalten gegenüber Einsatzkräften habe in den vergangenen Jahren zugenommen und sei mittlerweile alltäglich, sagt Ulrich Bogdahn, Chef der Essener Feuerwehr. Er ärgert sich: „Diese Leute gehen despektierlich mit den Menschen um, die vielleicht irgendwann mal ihre Lebensretter sein können.“
Seine Feuerwehrleute seien jederzeit bereit, ihr Leben im Dienst einzusetzen, so Bogdahn. Doch es kommt immer wieder vor, dass sie beleidigt, behindert, angegangen, bespuckt und in Ausnahmefällen sogar attackiert werden. „Hochachtung, dass meine Mitarbeiter das alles ertragen und trotzdem so einen guten Job machen.“
Taxifahrer klopft seine Fußmatte an Rettungswagen im Einsatz ab
Ein weiteres Beispiel, das schon etwas zurückliegt: In einem Rettungswagen, der nach Holsterhausen gerufen wurde, kämpfen die Einsatzkräfte um das Leben eines Patienten mit Atemnot. Licht brennt in dem Rettungswagen, die Warnblinkanlage ist an.
Plötzlich hören die Einsatzkräfte ein seltsames Klopfen – und entdecken einen Taxifahrer, der seine Fußmatte auf der Trittstufe am Heck des Rettungswagens abklopft. Bogdahn ärgert sich noch heute: „Das Auto war deutlich als Rettungswagen zu erkennen. Das brauchen wir gar nicht schön reden: So etwas macht man nicht!“
„Die Gesellschaft wird immer egoistischer“, sagt der Feuerwehr-Chef. Vielen fehle das Bewusstsein, dass sich ein anderer Mensch in einer Notsituation befinde. Zudem habe die Arbeit der Feuerwehr bei vielen nicht mehr den Stellenwert, den sie einst hatte.
Feuerwehr löscht Brand und Autofahrerin rammt Drehleiter
Ein weiteres Beispiel: Die Feuerwehr rückte im Herbst vergangenen Jahres zu einem Kochtopfbrand an der Berliner Straße aus. Eine Drehleiter ist im Einsatz, die Einsatzkräfte fahren mit dem Korb an das Fenster der Brandwohnung in der ersten Etage heran.
Eine ältere Autofahrerin konnte den Einsatz offenbar nicht abwarten, wollte an der Drehleiter vorbei fahren und rammte dabei eine Stütze des Feuerwehrwagens, die deutlich mit einem Blinklicht markiert ist.
Feuerwehr muss Gaffer verscheuchen, damit Rettungshubschrauber starten kann
Die Feuerwehr beklagt die zunehmende Gaffermentalität. Erst vor wenigen Tagen, als ein Junge (13) von eine U-Bahn mitgeschleift, lebensgefährlich verletzt und anschließend mit einem Rettungshubschrauber in die Klinik gebracht wurde, mussten die Feuerwehrleute wieder zahlreiche Gaffer vertreiben: „Sie glauben nicht, wie viele Menschen wir auffordern mussten, endlich wegzugehen, damit der Rettungshubschrauber abheben kann“, berichtet Feuerwehr-Sprecher Mike Filzen.
Unter den Gaffern, die ihre Handys zücken und Einsätze filmen, seien vor allem junge Leute. Filzen ist sich sicher: „Das hat auch etwas mit den sozialen Medien zu tun.“ Wer ein möglichst spektakuläres Video hochlade, könne sich in sozialen Medien profilieren.
Feuerwehr-Chef: Erste-Hilfe-Unterricht muss in den Lehrplan
Doch bei all dem sieht Bogdahn auch eine Lösung: „Wir müssen in den Schulen ansetzen.“ Er fordert, dass Erste Hilfe zu einem festen Bestandteil des Lehrplans wird. Jährlich soll es eine Erste-Hilfe-Ausbildung für Schüler geben. Denn: So bekommen die Kinder und Jugendlichen ein anderes Bewusstsein. „Sie greifen nicht zum Smartphone, sondern helfen.“ Für diese Idee kämpft Essens Feuerwehr-Chef an allen Fronten, führt beispielsweise Gespräche mit dem Innenministerium.
„Gegenseitiges Helfen und Unterstützen macht eine Gesellschaft aus“, ist Bogdahn überzeugt.
Zahlen zur Essener Feuerwehr
- 149.800 Einsätze hatte die Essener Feuerwehr im Jahr 2017. Alle dreieinhalb Minuten gab es einen Einsatz mit mindestens einem Fahrzeug.
- Die Berufsfeuerwehr hat rund 750 Mitarbeiter. Sie werden von rund 550 Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehren unterstützt.