Essen. Das Stadion kommt, es steht auf der Kippe, es kommt nicht: In den vergangenen Jahren durchlebten die Rot-Weiss-Fans in puncto Stadionplanung ein Wechselbad der Gefühle. Selbst Hartgesottene sind den politischen Dauerbrenner langsam leid.
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Der „Durchbruch“ wurde mindestens ein Dutzend mal verkündet, die Finanzierungspläne nochmal so oft vorwärts und rückwärts gerechnet, und in schönen Animationen schien die Sache ebenso klar wie in Sonntagsreden. Das neue Stadion an der Hafenstraße ist seit zweieinhalb Jahren ein politischer Dauerbrenner, den selbst hartgesottene Fans leid sind. Eine Chronologie der Verheißungen:
Juli 2007: Der SPD-Bundestagsabgeordnete und RWE-Präsident Rolf Hempelmann verspricht den ersten Spatenstich zur neuen Arena noch vor dem 30. Juni 2008. Er knüpft an dieses Versprechen sein Bundestagsmandat. Im Herbst 2009 wird er erneut ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Der erste Spatenstich ist bis heute nicht erfolgt.
Juni 2008: Die Stadt nimmt sich nach dem Rücktritt Hempelmanns des Vereins und des Themas Stadionbau stärker an. Neue Strukturen mit einer Spielbetriebs- und einer Stadion-Gesellschaft sollen geschaffen werden. Unternehmensberater durchleuchten den Club. Die neue Arena soll mal 40 Millionen Euro kosten, mal „nur“ 30 Millionen. Die Stadt will sieben Millionen Euro beisteuern. Vom Sponsor RAG/Evonik gibt es eine Zusage über acht Millionen. Den Löwenanteil muss der Verkauf des Traditionshotels „Handelshof“ bringen. Die Losung: Wir verkaufen eine städtische Immobilie, um eine andere zu kaufen.
Evonik kündigt Zusage über acht Millionen
Frühjahr 2009: Rot-Weiß Essen droht von der Deutschen Fußball-Liga die Lizenz entzogen zu werden. Die Stadt springt über ihre Grundstückstochter GVE und die Sparkasse in die Bresche. Dem Vernehmen nach geht es um mehr als zwei Millionen Euro. Zudem wird der Filmrechte-Händler und RWE-Hauptgläubiger Michael Kölmel mit mehreren städtischen Millionen ausgelöst. Das soll neue Sponsoren ermuntern, beim Stadionprojekt einzusteigen. Stattdessen kündigt Evonik seine Zusage über acht Millionen Euro auf. Die Aussicht auf Hilfe des Energieversorgers RWE bleibt unkonkret.
Frühsommer 2009: Der Sportliche Leiter und Trainer von RWE, Thomas Strunz, gilt der Stadt inzwischen als wichtigster Ansprecherpartner neben den neuen Vertretern von Stadttöchtern im Aufsichtsrat des Fußballvereins. Ein mit monatlich angeblich 7000 Euro dotierter Beratervertrag des Bundesligaspielers mit der GVE rechtfertigt deren Geschäftsführer Andreas Hillebrand: „Strunz hat uns bei der Stadionplanung geholfen, zahlreiche Termine und Sitzungen wahrgenommen und sich für uns jetzt schon gerechnet.“
Symbolischer Spatenstich im August
Juni 2009: Stadtdirektor Christian Hülsmann kündigt im Sportausschuss den „Spatenstich“ zum neuen Stadion für August an. Am 8. August kommt es jedoch nur zu einem symbolischen Anstoß auf einem Nebenplatz des maroden Georg -Melches-Stadions. Hülsmann: „Nennen Sie das Spatenstich oder Anstoß oder wie auch immer.“
September 2009: Vier Wochen nach der Kommunalwahl stellt die Bezirksregierung die Stadion-Finanzierung infrage. Der Handelshof-Erlös wird ohnehin auf die Kreditrate der Stadt angerechnet; sollte das Eigenkapital Essens nun auch noch ab 2014 aufgezehrt sein, wären Millionen für eine Arena nicht mehr genehmigungsfähig.
November 2009: Essens neuer Kämmerer Lars-Martin Klieve (CDU): „Das Stadion ist nicht sakrosankt, das ist erst sicher, wenn es steht.“