Essen. . Die krebskranke Allison (14) rührt mit ihren Youtube-Videos aus der Uniklinik Essen. Kommentare unter den Clips auf JustAllison geben ihr Kraft.

Es ist ein Kurzfilm, der zu Herzen geht. Da sitzt dieses lebensfroh lachende Mädchen in seinem Krankenhausbett, trägt eine Mütze und redet. Schnitt. Nächste Szene, selbes Mädchen: Dieses Mal ohne Mütze, dafür mit dunklen Locken, die sich zu allen Seiten kringeln. Plötzlich zupft sich das Mädchen ohne jede Anstrengung einen Büschel Haare aus dem Schopf. Im Hintergrund taucht ein Rasierer auf und man ahnt, was nun kommt. Wenig später rieseln die Locken. Am Ende steht eine Glatze.

Anderes Video, wieder dieses Mädchen. Es ist an Schläuche angeschlossen, liegt in einem schmucklosen Raum. Ärzte kommen herein, untersuchen die junge Patientin, bringen Blutbeutel mit dem lebensrettenden Knochenmark mit. – Das Mädchen aus den Videos heißt Allison. Aus dem Essener Krankenzimmer heraus hält die 14-Jährige markante Etappen ihrer schweren Krebserkrankung mit der Kamera fest.

Den Youtube-Kanal hatte sie schon vor dem Krebs gegründet

Wenn sie die Kraft dazu hat, muss man sagen. Was längst nicht an jedem Tag der Fall ist. Allisons feingliedriger Körper kämpft gegen eine seltene Form des ohnehin in diesem Alter nicht oft vorkommenden Lymphknotenkrebses. Mal machen die Medikamente sie müde. Mal ist sie einfach zu niedergeschlagen, um einen Film zu drehen. Dabei bedeuten die Clips für Allison sehr viel mehr als die bloße Dokumentation einer Zeit, die sie hoffentlich eines nahen Tages überstanden haben wird.

„Es ist wichtig für sie, schöne Sachen zu machen, die sie ablenken“, erzählt ihre Mutter Marianne – und Allison nickt. Ihren eigenen Youtube-Kanal, auf dem sie ihre Videos zeigt, hatte sie schon vor der Krebs-Diagnose gegründet. Früher waren auf „JustAllison“ lustige Filmchen aus dem sorgenfreien Leben eines Mädchens zu sehen. Heute dreht sich alles um den ungeschönten Kampf eines Teenagers gegen eine verflixte Krankheit.

Über das Filmen erzählt Allison mit Begeisterung

Wenn sie über das Filmen erzählt, wirkt Allison wie ausgewechselt. Sie richtet sich in ihrem Bett in der Kinderonkologie auf, so als würde plötzlich mehr Energie durch ihren Körper fließen. „Klar würde ich das gerne später beruflich machen“, sagt sie. Ein Videostar zu sein, das wäre was. Sie schneidet schon jetzt ihre Filme selbst, überlegt sich Kulissen, kommt als Hauptdarstellerin in ihrer kleinen Krankenhaus-Serie sympathisch-natürlich rüber. „Durch meine Krankheit werden vielleicht viele Menschen beten“, sagt sie. Und die Mutter erzählt, wie sehr sich Allison freut, wenn sie Kommentare unter ihren Videos auf Youtube bekommt.

Die Ärztin ist optimistisch

Knapp 700 Abonnenten hat sie. 1000 wären ihr Traum. In der Uniklinik ist sie eine kleine Berühmtheit. „Sie möchte ihre Geschichte erzählen und arrangiert das wirklich gut“, sagt Dr. Rita Beier, Leiterin der Pädiatrischen Stammzelltransplantation. Ob die Videos das Gesundwerden fördern? „Mindestens vertreiben sie ihr die Zeit im Krankenhaus. Vielleicht geht es auch darüber hinaus“, sagt die Ärztin.

Gerade hat Allison ein paar Tage Drehpause gemacht. Sie muss lernen, wieder selbstständig zu essen. „Für sie ist das anstrengend. Sie ist lange über Schläuche versorgt worden“, sagt Marianne. Die Mutter wohnt im Hundertwasser-Haus der Mc-Donald’s-Kinderhilfe und ist froh, so immer ganz nah bei ihrer Tochter sein zu können. Die Familie kommt aus Holland und lebt in der Nähe der Grenze, bei Gronau. Sehr viel Zeit verbringen Mutter und Tochter nun gemeinsam in Allisons Einzelzimmer in der Uniklinik.

Jeder Kontakt ist für die Krebspatientin ein Risiko

Allisons Mutter trägt einen OP-Kittel-grünen Schutzanzug. Besucher darf das schwer kranke Mädchen erst seit wenigen Tagen wieder empfangen und auch nur ganz wenige. Jede kleinste Infektion ist für die Krebspatientin lebensgefährlich, jeder Kontakt ein Risiko.

Hinter einer großen Scheibe in ihrem Zimmer gibt es einen Gästebereich. Dort haben kürzlich ihre Freundinnen gesessen und Allison ein paar Stunden unbeschwertes Mädchensein geschenkt, als sie ihren 14. Geburtstag im Krankenhaus verbrachte. Jede Freundin hat mit einem Stift den Umriss ihrer Hand auf die Scheibe gemalt. Aus ihrem Bett schaut Allison gerne darauf und lächelt. „Sie werden in der Klinik lange Fenster putzen müssen, wenn wir weg sind“, sagt Mutter Marianne und lacht. Ihren Humor haben sie beide nicht verloren.

Allison hofft, dass sie mit ihrem Vater Silvesterfeuerwerk kaufen kann

Weg sein, das wollen sie ganz bald, auch wenn sie dem Ärzte- und Pfleger-Team unendlich dankbar sind – „Weihnachten möchte ich zu Hause feiern“, sagt Allison ein paar Tage vor dem Fest. Rund zwei Monate hat sie in der Uniklinik verbracht. Inklusive Chemotherapie und einer Knochenmarkspende, die ihr wohl das Leben gerettet hat. Dr. Rita Beier, die Ärztin, ist optimistisch, dass alles wieder gut wird.

Allison freut sich darauf, in Kürze wohl mit ihrem Vater Silvesterfeuerwerk kaufen gehen zu können. „Ich möchte zu Hause mit Freunden zusammensitzen“, sagt sie und streicht sich über den Kopf, auf dem langsam Haarflaum nachwächst. Sie freut sich auf ihre Familie, auf das eigene Bett und auf das holländische Essen. Am meisten aber erwartet Allison ihr Kinderzimmer. Das hat kürzlich eine grüne Wand bekommen. Der perfekte Hintergrund zum Filmen. Die Krankheit will sie loswerden. Ihr Youtube-Kanal wird bleiben.