Essen. . Zig Essener Familien suchen einen Kita-Platz, 32 gehen vor Gericht. Hier erklärt Jugendamtsleiter Ulrich Engelen, wie die Plätze vergeben werden.

Die Suche nach einem Kita-Platz zermürbt viele Familien. Selbst wer seinen Rechtsanspruch formell anmeldet, erhält nicht immer fristgerecht einen Platz: Derzeit muss die Stadt 1600 offene Rechtsansprüche abarbeiten. Es kursieren viele Gerüchte, wieso Kinder sofort berücksichtigt werden oder aber leer ausgehen. Wir befragten Jugendamtsleiter Ulrich Engelen zur aktuellen Lage – und zum Sinn von Kuchenspenden an die Wunsch-Kita.

Herr Engelen, wie viele Kita-Plätze gibt es im laufenden Kita-Jahr in Essen – und wie viele Kinder hatten einen Kita-Platz gesucht?

Im Kita-Jahr 2018/19 stehen insgesamt 3633 Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren (U3) und 15.221 Plätze für Kinder über drei Jahren (Ü3) zur Verfügung. Wenn wir uns die Zahl der Anmeldungen/Vormerkungen für 2018/19 ansehen, haben rund 6000 Kinder neu einen Betreuungsplatz gesucht.

„Die Kitas entscheiden, welches Kind sie aufnehmen“

Grundsätzlich hat jedes Kind einen Anspruch auf einen Kita-Platz. Wer entscheidet, wer tatsächlich einen Platz bekommt? Und welche Kriterien geben dann den Ausschlag: alleinerziehende Mutter/Vater, Geschwisterkind, Alter, Nationalität oder Konfession des Kindes?

Der Jugendhilfeausschuss der Stadt entscheidet jährlich im Februar über die vom Jugendamt erstellte Vorlage, die in Abstimmung mit den Trägern die Anzahl der Gruppen, Gruppentypen und somit die Gesamtzahl der Plätze je Einrichtung benennt. Wie die einzelnen Plätze belegt werden, also welches Kind konkret aufgenommen wird, entscheiden die Leitungen in den Einrichtungen autonom.

Das heißt, das Jugendamt gibt hier keine festen Kriterien vor?

Jeder Träger hat eigene Aufnahmekriterien und entscheidet in Absprache mit dem Kindergarten-Rat, welche Kinder aufgenommen werden. In welcher Priorität die möglichen Aufnahmekriterien angewendet werden, obliegt dem Träger. Die von Ihnen genannten Kriterien finden alle Anwendung.

Eltern wird schon mal geraten, die Wunsch-Kita öfter zu besuchen, Kuchen zu spendieren oder bei der Renovierung zu helfen. Hilft das?

Wir können dazu keine Aussage treffen.

Rund 1600 Rechtsansprüche sind noch offen

Das Jugendamt hat demnach keinen direkten Zugriff auf die Kita-Plätze?

Eine kleine Anzahl an Zusatzplätzen stellen die Träger dem Jugendamt zur Verfügung, damit wir Rechtsansprüche erfüllen können. Bei der Eröffnung neuer Kitas und Gruppen steht das Jugendamt mit den Kita-Leitungen im Kontakt, um Kinder mit offenem Rechtsanspruch zu vermitteln. Dabei ist auf die notwendige Gruppenstruktur nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen. Die Kommunikation mit den Trägern ist unterschiedlich intensiv.

Jugendamtsleiter Ulrich Engelen sagt, dass die Stadt Essen nicht alle Rechtsansprüche auf einen Kitaplatz zeitnah bedienen könne. Die Versorgungslage sei derzeit zu angespannt.
Jugendamtsleiter Ulrich Engelen sagt, dass die Stadt Essen nicht alle Rechtsansprüche auf einen Kitaplatz zeitnah bedienen könne. Die Versorgungslage sei derzeit zu angespannt. © Carsten Klein

Wer leer ausgegangen ist, kann einen Rechtsanspruch anmelden. Wie viele Familien haben das fürs laufende Kita-Jahr getan? Und haben sie alle einen Platz bekommen?

Von Anfang August bis Ende September 2018 gingen gut 380 neue Rechtsansprüche ein. Nicht alle Kinder konnten oder werden im laufenden Kita-Jahr ein Platzangebot erhalten. Wir haben 676 offene Rechtsansprüche für Kinder, die ein bis knapp drei Jahre alt sind und 926 offene Rechtsansprüche für Kinder über drei Jahren. Aufgrund der aktuellen Versorgungslage können nicht alle Rechtsansprüche in der Frist von sechs Monaten erfüllt werden.

32 Familien sind für einen Kitaplatz vor Gericht gezogen

Nach welchen Kriterien arbeitet das Jugendamt Rechtsansprüche ab und vergibt Plätze, etwa in Notgruppen?

Die Verwaltung hat folgende Kriterien zur Belegung der Zusatzplätze abgestimmt: Erstens: Kinder, deren Wohl ohne die entsprechende Förderung in einer Kita gefährdet ist. Zweitens: Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist anhängig. Drittens: Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, sollen von der Kindertagespflege in eine Kita wechseln können. Viertens: Der Rechtsanspruch ist vor über sechs Monaten eingegangen. Fünftens: Arbeitsaufnahme der Eltern (zur Bekämpfung von Kinderarmut): Berufstätigkeit von Alleinerziehenden oder beider Elternteile; Vermittlung des Jobcenters oder anderer Träger; Besuch von Integrations- oder Sprachkurs. Sechstens: Kinder mit integrativem Förderbedarf. Ausnahmen sind nach Abwägen des Sachverhaltes möglich.

Wie viele Eltern ziehen vor Gericht, um einen Kita-Platz zu bekommen?

Im Kita-Jahr 2017/ 2018 gab es 132 Klagen; im Kita-Jahr 2018/2019 gibt es bisher 32 Klagen.

>>> PLATZVERGABE NACH FESTER REIHENFOLGE

Im August beklagte eine Mutter, in der Kita-Gruppe ihres Sohnes gebe es nur zwei deutsche Kinder: Die Stadt bevorzuge ausländische Kinder. Das Jugendamt widersprach: Es handle sich um eine Notgruppe, bei der es nicht um Herkunft gehe, sondern um Rechtsansprüche. Dabei beachte man eine „feste Reihenfolge“. Hier erklärt der Jugendamtsleiter nun die Details zur Platzvergabe.