Die Stadt Essen intensiviert ihre Stadtteilarbeit in problematischen Quartieren: Moderatoren sollen die Bürger zusammen bringen.

Bei seinem Besuch der Stadtteilkonferenz in Altenessen ist Oberbürgermeister Thomas Kufen folgendes Erlebnis noch in bester Erinnerung geblieben: Auf die Frage, wer der Meinung sei, dass man dringend etwas gegen wilden Müll auf den Straßen tun müsse, gingen fast alle Arme hoch. Auf die Frage, wer am nächsten Samstag mit anpackt, fiel die Resonanz erheblich bescheidener aus. „Hingekriegt haben sie es dann doch“, berichtete der OB, als er am Mittwoch im Rathaus ein neues Projekt zur Stadtteilarbeit vorstellte. Wobei: Neu ist es eigentlich nicht.

In Altenessen gilt die Stadtteilkonferenz bereits als etabliert. Bürger kommen dort regelmäßig zusammen, um miteinander zu diskutieren, was ihnen in ihrem Stadtteil unter den Nägel brennt, was es zu tun, was es zu verbessern gilt. Es ist das Ergebnis eines Quartiersmanagements, das die Stadt gemeinsam mit dem Institut für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung (ISSAB) der Universität Duisburg-Essen anbietet. In Katernberg, in Altendorf und im Nordviertel wurde es ebenfalls etabliert. Auch wenn jeder Stadtteil seine Eigenheiten hat, ist das Ziel immer das gleiche: Es geht darum, Bewohner für ihren Stadtteil zu interessieren, und im Idealfall dazu zu animieren, sich zu engagieren. Kurz: Es geht um den sozialen Zusammenhalt der Bevölkerung.

Es geht um den sozialen Zusammenhalt der Bevölkerung

Aufbauend auf diesen Erfahrungen wird die Stadt Essen gemeinsam mit dem ISSAB die Stadtteilarbeit nun ausbauen. „Weitere Stadtteile kommen hinzu: Karnap, Kray, Frohnhausen, das Bergmannsfeld und das Hörsterfeld. Auch dort werden Mitarbeiter als „Stadtteilmoderatoren“ unterwegs sein.

Bernd Krugmann, vielen im Essener Norden als langjähriger Leiter des Stadtteilbüros in Vogelheim bekannt, ist einer von ihnen. Krugmann wird sich um Karnap kümmern. Die Identifikation der Menschen mit ihrem Stadteil ist hoch. Auch in Karnap ist das große Zelt, in dem Flüchtlinge untergebracht waren wieder verschwunden, der Runde Tisch hat sich aufgelöst. „Aber das Bewusstsein, wir müssen etwas tun, ist da“, sagt Krugmann. Daran will er anknüpfen.

Christina Fornefeld, Janna Klompen und Anna Burzlaff, alle noch unter 30 und am Anfang ihres Berufslebens, gehen die Arbeit in den anderen Stadtteilen an.

Auch ihr Auftrag lautet: Kontakte knüpfen, Menschen zusammenbringen, Türen öffnen, die sonst vielleicht verschlossen blieben. Früher einmal bedurfte es dafür keiner Moderatoren. Kirchengemeinden, die Awo, Sportvereine, die Zeche, die vielen Arbeit gab, oder die Ortsgruppe der IGBCE bildeten ein unsichtbares Netz, das einen Stadtteil zusammenhielt.

Dessen Maschen sind heute größer. Der wirtschaftliche Strukturwandel hat dazu beigetragen. Institutionen haben nicht mehr die Bindungskraft wie einst. Sogar die Kommunikation ist im Zeitalter der Digitalisierung eine andere. Die Arbeit vor Ort macht das nicht unbedingt leichter.

Bürger sollen sich nicht abwenden, sondern sich engagieren

Dass die genannten Stadtteile nicht nach dem Zufallsprinzip aus der Lostrommel gezogen wurden, liegt auf der Hand. Die sozialen Probleme und die Herausforderungen sind größer. Der Zuzug von Flüchtlingen, die sich in begehrteren Stadtteilen kaum eine Wohnung leisten können, hat dazu beigetragen.

Professor Horst Bossong, Leiter des ISSAB, warnt dennoch vor einer Stigmatisierung. „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, es geht bergab.“Eine Abwärtsspirale soll er erst gar nicht in Gang kommen. Auch nicht in den Köpfen der Menschen, um die es geht. Die Gefahr ist, dass sie sich abwenden, dass sie resignieren. Das Gegenteil ist erwünscht. „Jeder kann einen Beitrag leisten“, betont Oberbürgermeister Kufen. „Das fängt mit dem Grüßen auf der Straße an.“ Und muss damit längst nicht aufhören.