Ruhrgebiet. . Damit Kinder Spaß an der Bewegung bekommen, müssen Erwachsene ihren inneren Schweinehund überwinden. Wie das aussehen kann, erklärt der Experte.

Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang. Dennoch leiden Kinder und Jugendliche heute an Bewegungsmangel – mit drastischen Folgen: Etwa jedes fünfte Kind in Deutschland ist übergewichtig (Adipositas), Kinderärzte diagnostizieren häufiger mangelnde Fitness, Haltungsschäden und eine geringere geistige Leistungsfähigkeit. Spätfolgen als Erwachsene sind der frühere Beginn von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Rückenleiden. Woran liegt’s?

Rolle rückwärts? Für viele ein Problem

Daddeln die Kids lieber am PC oder schauen aufs Smartphone anstatt gegen den Ball zu treten? Und was dagegen tun? So einfach, sagt Sportpädagoge Gregor Stratmann, sei die Sache nicht. Mehrere Dinge seien zu berücksichtigen. Einerseits habe sich die Art und Weise verändert, wie Kinder und Jugendliche sich bewegen. Andererseits seien die Bedingungen schlechter geworden. „Wiesen, Äcker, Wälder, Brachflächen in der Stadt – die sind doch in den letzten Jahrzehnten immer mehr geschrumpft. Und wo es Freiflächen gibt, da stehen Verbotsschilder.“ Toben und Rennen auf der Straße, Klettern im Wald, Fangen oder Ball spielen, das erfordere bestimmte Bewegungsabläufe und fördere die Koordinationsfähigkeit. „Die Rolle rückwärts im Turnunterricht war für Grundschüler vor 20 Jahren kein Problem, heute kriegen das Drittklässler nur schwer hin.“

Das Daddeln am PC begrenzen

Nicht nur der freie Raum, auch die freie Zeit von Heranwachsenden ist geschrumpft, konstatiert der Sportpädagoge. „Die Anforderungen in der Schule sind deutlich höher geworden, die Unterrichtszeit geht bis in den Nachmittag.“ Und nicht wenige Eltern forcierten noch parallel die außerschulische sprachliche und musische Fortbildung ihrer Sprösslinge.

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Die wiederum spätestens ab der Pubertät doch lieber in virtuelle Welten eintauchen als im Sommer ins Wasser des Freibades. Also PC-Spiele und Smartphones verbieten? Davon hält der Sportpädagoge gar nichts. Umso reizvoller werde dann das Daddeln und Chatten. Vielmehr empfiehlt er eine zeitlich begrenzte Nutzung von Konsole & Co., damit die Bewegung wieder mehr in das Bewusstsein der Jugendlichen rücke.

Motorische Fähigkeiten der Eltern zu fördern, das sei Sache der Eltern

„Die Sportvereine haben engagierte Jugendwarte. Jeder kann erst mal schnuppern, ob ihm was zusagt.“ Es muss allerdings nicht immer der Verein sein. „Es steht und fällt mit den Eltern“, erläutert Stratmann. Wer selbst jeden Abend auf der Couch verbringe, zum Brötchenholen das Auto bemühe und lieber eine Tiefkühl­pizza in den Ofen schiebe als selbst Gemüse zu schnippeln, der müsse sich über zu viele Kilos auf der Waage auch bei seinen Kindern nicht wundern.

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Von Christina Peters undKai Wiedermann

„Eltern erziehen, nicht der Kindergarten, nicht die Schule“, betont Stratmann. Eltern könnten nicht die Verantwortung am Schultor abgeben. Die motorischen Fähigkeiten ihrer Kinder zu fördern und zu fordern, sei Aufgabe der Eltern. Die sicherlich ab und zu auch mal den inneren Schweinehund überwinden müssten, um etwas zu unternehmen. Abenteuerspielplätze besuchen, mit den Kindern schwimmen gehen, Radfahren, mal Kanusport, Segeln oder Klettern ausprobieren: „Wenn es Erwachsenen Spaß macht, kriegen auch Kinder Lust an der Bewegung“, ist sich der Sportpädagoge sicher. Eine ausgewogene Ernährung tue ein übriges, damit „Adipositas“ ein unaussprechliches Fremdwort bleibe.