Essen. . Freiwillige des Vereins Fairsorger verteilen an der Gertrudiskirche dreimal in der Woche Lebensmittel, Kleidung und Hygieneartikel an Bedürftige.

Es ist erst halb sieben, aber die ersten Gäste warten schon. Ihre Mägen knurren. Gäste – so respektvoll nennen die Freiwilligen vom Verein Fairsorger die Obdachlosen, denen sie an diesem Montagabend einen heißen Teller reichen werden. „Heute gibt’s Hühner-Nudel-Topf“, sagt Ursula Steenmann, eine von 20 bis 25 aktiven Helfern. Sie hat das deftige Gericht zubereitet. „Aus Spenden der Essener Tafel und von Aldi-Süd“, fügt sie hinzu und zeigt auf die großen Zehn-Liter-Thermotöpfe.

Jeden Montag, Mittwoch und Freitag stehen die Fairsorger am Osteingang der St. Gertrudiskirche – nicht weit vom Rheinischen Platz und der Viehofer Straße. Eine Ecke in der Nordcity, die häufiger Schlagzeilen macht durch Dealer, Junkies und Razzien. Um Punkt 19 Uhr geht’s endlich los. Barmherzigkeit ist eine, Zuverlässigkeit eine andere Sache. „Wir stehen hier bei Wind und Wetter und sogar an Weihnachten“, betont Michael Schneider.

Aus der kleinen Gruppe hat sich rasch eine lange Schlange gebildet. Auf der improvisierten Theke aus Klapptischen entfaltet sich ein Buffet, das sich mit dem so mancher Betriebskantine messen kann. Kartoffelsalat und Krautsalat, Bratheringe und Rollmops, fertige Sandwiches und frische Brötchen, Ursulas heiße Hühner-Nudel-Topf und Kaltgetränke, Schaumküsse und Weingummi. Ein fast schon opulentes Abendmahl im Kirchenportal.

Katrin (35) aus Altenessen ist seit zwei Monaten Gast

„Ich komme seit zwei Monaten hier hin“, sagt Katrin aus Altenessen. Die 35-Jährige, eine gelernte Mediendesignerin, hat schlimme Zeiten hinter sich. Arbeitslosigkeit, Hartz IV, dazu Mietschulden, die sich bedrohlich auftürmten, und dann die Räumungsklage. Ein Teufelskreis. „Ich war ein Jahr obdachlos“, erzählt sie. Übernachtet habe sie „mal hier, mal da“. Auch auf der Straße haben sie schlafen müssen. „Das ist als Frau wirklich nicht so toll, ich bin beklaut worden.“ Jetzt freut sie sich aufs warme Mahl. „Es schmeckt gut und ständig gibt’s was anderes.“ Sie fühlt sich auch deshalb gut, weil sie seit einer Woche wieder eine eigene Wohnung hat.

Zwei Stunden stehen die Fairsorger mit ihrem Stand an der Gertrudiskirche. „Im Durchschnitt verteilen wir am Abend 70 Portionen“, sagt die Vorsitzende Ingrid Steinhauer-Sarr. Je näher das Monatsende rücke, desto leerer seien die Geldbeutel der Gäste. „Dann verteilen wir 120 Portionen“, fügt sie hinzu. Wer auf der Straße lebe, sagt sie, komme mit 400 Euro Sozialhilfe niemals zurecht. „Das Geld ist schnell weg.“

Wer ist bedürftig, wer nicht? Diese Frage stelle hier niemand. „Wir wollen nicht kontrollieren, sondern das Vertrauen der Menschen gewinnen“, sagt Ingrid Steinhauer-Sarr. Die Helfer wissen: Sich hier hinzustellen, kostet Überwindung.

Armut hat viele Gesichter

Tatsächlich hat Armut hier viele Gesichter. Da ist der Rentner, der sein ganzes Leben hart gearbeitet hat, aber mit der kargen Pension nicht über die Runden kommt. Oder der Flaschensammler, der mit Pfandgeld seine Sozialhilfe aufbessert. Am schlimmsten dran sind die, die gar nichts haben. Zum Beispiel die gestrandeten Osteuropäer, die in die Hände skrupelloser Menschenhändler geraten sind und hier als Arbeitssklaven ausgebeutet werden. „Sie schämen sich in Grund und Boden, wenn sie sich hier anstellen“, so die Fairsorger-Vorsitzende.

Der Freitagsstand dauere meistens länger, weil dann auch Hygieneartikel – Shampoo und Zahnpasta – sowie Kleidung ausgeteilt werden. Ob im Winter oder im Sommer: Ständig hat die Gruppe ein Notpaket aus Schlafsack, Isomatte und Decke dabei.

Veronika Maria Arning zählt zu den Helferinnen der ersten Stunde, sie ist schon im Dezember 2014 mit dem Bollerwagen durch die City gezogen. „Ich bin Essenerin und möchte den Menschen in dieser Stadt helfen“, sagt sie. „Hier guckt mich das Elend an.“ Eine Reihe von Obdachlosen seien ihr über die Jahre ans Herz gewachsen – „wie meine eigenen Kinder.“

>>> SPONSOREN GEBEN ESSENSSPENDEN

Der gemeinnützige Verein „FairSorger e.V.“ ist durch Umbenennung von „WddN Essen“ entstanden. WddN steht für Warm durch die Nacht. Ausführliche Informationen über das Hilfswerk gibt’s unter fairsorger-essen.de .

Die Fairsorger werden mit Essensspenden unterstützt durch:
Bäckerei Förster, Essener Tafel, Bella India, Bistro EssArt der Sparkasse, Cantina Verde, La Concha, Haus Reichwein und Aldi Süd.

Spenden (Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel) können montags, mittwochs und freitags ab 18.30 Uhr an der Gertrudiskirche abgegeben werden.