Essen. . Vor 30 Jahren hat Ansgar Wessling Olympisches Gold mit dem Deutschland-Achter geholt. Heute sorgt er dafür, dass die Essener besser hören.
Mit einem hochroten Kopf und unter Schnappatmung will er tags zuvor aus dem Ruderboot gekrochen sein. Nach einer spontanen Trainingseinheit mit den jungen Kerlen vom TV Kupferdreh. Das erzählt Ansgar Wessling und man glaubt ihm kein Wort.
Zu drahtig und durchtrainiert wirkt der 57-Jährige auch heute noch, 30 Jahre nach seiner furiosen Fahrt zu Gold mit dem Deutschland-Achter bei den Olympischen Spielen in Seoul. „Ich habe mein Gewicht gehalten. Es ist nur gerutscht“, sagt er – früher schlagkräftig, heute schlagfertig.
Die Goldmedaille lag lange in einem Schuhkarton
Eine ganze Zeit lang hat er genug gehabt vom Rudern. Seine Goldmedaille hatte er zunächst wenig repräsentativ in einem Schuhkarton untergebracht, und ins Boot ist er selten gestiegen. „Lass uns nach vorne schauen, ich bin nicht mehr der Sportler – diese Einstellung hatte ich lange“, erzählt er, während er in seinem kleinen Büro an der Rüttenscheider Straße sitzt. In seinem Geschäftsführerzimmer hier bei „Hörsysteme Ansgar Wessling“ hat er kaum mehr Platz als damals im Achter. Aber immerhin hat er inzwischen eine Ecke ausgesucht für einen goldenen Rahmen mit Fotos von seinen sportlichen Erfolgen und einem Replikat der Goldmedaille. Er lässt die Erinnerung zu.
30 Jahre und zwölf Filialeröffnungen seines Hörgeräte-Unternehmens sind vergangen, seit dem sagenhaften Olympiastreich in Südkorea und einem von hunderten Menschen bejubelten Autokorso durch Kupferdreh nach Wesslings Rückkehr von den Spielen. Aber es ist noch viel mehr passiert im Leben dieses prominenten Esseners.
Ein kleines Hörgeräte-Imperium mit 75 Mitarbeitern
Da gibt es den vierfachen Vater Ansgar Wessling, und da gibt es den beständigen Aufstieg des Geschäftsmannes Ansgar Wessling, der ein kleines Hörgeräte-Imperium in seiner Heimatstadt aufgebaut hat. Mit 75 Mitarbeitern und dem Ehrgeiz, sich als inhabergeführtes Unternehmen gegen die großen Ketten zu behaupten. „Die Präsenz an einer Stelle, in einer Stadt ist wichtig, um wahrgenommen zu werden“, sagt er. So wie er früher im Achter in der Mannschaft funktionierte, so legt er auch im Berufsleben Wert auf den Teamgeist. „Die meisten Mitarbeiter verbringen mehr Zeit an ihrem Arbeitsplatz als mit ihren Lieben. Es ist wichtig, dass sie sich hier wohl fühlen.“
Er selbst möchte nicht zu allererst als der Olympiaheld wahrgenommen werden, und doch ist der Sport immer ein wichtiger Teil seines Lebens, „wegen der Lebensqualität, die er mir bietet. Bewegung ist für mich Belohnung“. Das will er nun seinen Mitarbeitern vermitteln. Wessling plant ein Sportprojekt für seine Firma. Es muss ja nicht immer das Rudern sein. Zwischendurch hat er gar Nordic Walking für sich entdeckt. Zunächst verschämt in der Dunkelheit, später am Sonntag offensiv am Baldeneysee.
Vor zehn Jahren einen schweren Autounfall überlebt
Aber es gibt da noch einen Jahrestag, den er in diesen Tagen erlebt hat. Wenn man es positiv formulieren möchte, dann vielleicht so: Am 3. Oktober vor zehn Jahren wurde Ansgar Wessling zum zweiten Mal das Leben geschenkt. Nur mit sehr viel Glück hat er damals einen schweren Unfall beim Autorennen auf dem Hockenheimring überlebt. Eingeschlagen in die Boxenmauer ist er damals und musste aus einem völlig zerstörten Porsche geschnitten werden. Mehrere Monate saß er im Rollstuhl, war zwei Jahre auf Gehhilfen angewiesen. „Ich betrachte den Unfall als Glücksfall. Er hat mein Leben entschleunigt“, sagt Wessling. Eigentlich wollte er danach nie wieder in einen Sportwagen steigen. Ist es dabei geblieben? Schweigen. Ein Grinsen.