Essen. . Gesucht wird: Essens Fahrrad-Held – wer radelt am meisten? Heute: Ein Special nur mit Kandidaten, die ein E-Bike benutzen.
„Wer bietet mehr?“ Rund zwei Wochen nach unserem ersten Aufrufsind mehrere Dutzend Zuschriften von Lesern eingegangen, die täglich deutlich mehr Kilometer mit dem Rad zurücklegen als unser Redakteur. Einige Zuschriften kommen übrigens von Elektrorad-Fahrern. Sie laufen aus Fairness-Gründen außer Konkurrenz. Deshalb heute eine Spezialfolge unser Serie nur zum Thema Pedelec.
Der Vorsatz: Ein paar Kilo weniger auf der Waage
Warum sind Sie aufs Elektro-Rad umgestiegen, Herr Langmann? „Na ja, das hat im Grunde die Waage entschieden. Ich wollte eigentlich nur abnehmen.“ Und, so der Vorsatz, ein bisschen mehr Bewegung in den Alltag einbauen. Langmann ist Freiberufler, er berät Firmen in Sachen Informationstechnik, „und eigentlich hatte ich beim Kauf des E-Bikes nur meine Essener Kunden auf dem Schirm.“
Im Frühjahr fing der 57-Jährige an, die ersten Kunden mit dem neuen Elektro-Rad zu besuchen, ausgestattet mit Satteltaschen, in denen Laptop und ein Hemd zum Wechseln stecken, und dann kam der Aha-Effekt: „Mir wurde klar, dass ich ja viel weiter fahren kann, als ich eigentlich dachte.“ Die Folge: Zweimal die Woche radelt er derzeit zu einem Kunden nach Schwelm, das sind 45 Kilometer pro Strecke, „auf dem ganzen Weg gibt es genau zwei Ampeln.“ Langmann fährt los in Altendorf, dann auf die Trasse „Rheinische Bahn“, über die Grugatrasse hinunter zur Ruhr, dann bis nach Hattingen, dort führt eine Trasse weiter ins Bergische. Auch ein Kunde in Gladbeck wird per Rad angefahren und auch einer in Solingen. „Die staunen immer“, sagt Langmann.
Der Aha-Effekt: Routen kann man verbinden!
„Als ich verstanden habe, was für tolle Radrouten direkt vor meiner Haustür liegen, weil ich sie direkt miteinander verbinden kann, war ich geplättet“, bekennt er. Und so bleibt der gelernte Foto-Ingenieur jetzt öfter mal am Wegesrand stehen und zückt seine Kamera: Fotografiert Schwäne am Baldeneysee oder herbstliche Licht- und Schattenspiele auf der Nordbahntrasse bei Sprockhövel. „Es sind die schönsten Arbeitswege, die ich je hatte.“ Er will auch im Winter radeln, „Kälte ist egal – nur bei Dauerregen werde ich wohl wieder ins Auto steigen.“ Das schmerzt ihn mittlerweile, „denn man kann sich an diese Komtemplation gewöhnen, dieses Gefühl von Freiheit.“ Ach ja: Drei Kilo hat Langmann bislang abgenommen. Immerhin.
Warum ein Steuerberater täglich von Holsterhausen nach Duisburg radelt
Adrian (41) ist seit seiner Jugend passionierter Fahrradfahrer, er hat Jahre in Münster verbracht, immer auf dem Rad, und dann: Kam er nach Essen, zog nach Holsterhausen. „Ich sah keine Radfahrer, ich sah keine Radwege.“ Die Folge: Sein Rad verschwand für Jahre im Keller. „Ich bin mit dem Auto von Holsterhausen zum Berliner Platz ins Kino gefahren. Mit dem Auto! Das muss man sich mal vorstellen!“
Noch mehr Elektro-Rad-Fahrer
„Ich bin vor zwei Jahren auf ein Pedelec umgestiegen und fahre täglich 25 Kilometer von Überruhr in die Stadtmitte und zurück, aber auch alle Alltags-Wege: Arzttermine, Kundenbesuche und so weiter. Nur nicht im Winter, denn die Radwege werden nicht geräumt. Mein Auto habe ich schon 2009 abgeschafft.“ Birgit F. Unger
„Ich bin fast täglich 47 Kilometer mit dem E-Bike unterwegs – von Frintrop nach Duisburg-Huckingen. Bis vor drei Jahren bin ich das mit einem normalen Rad gefahren, doch dann bin ich nach einer Operation auf ein E-Bike umgestiegen.“ Achim Hartwich
Doch Anfang des Jahres traf der Steuerberater eine Entscheidung: Er verkaufte sein Auto, „ich wollte es einfach loswerden“, und schaffte sich ein Elektro-Rad an. Damit rollt er jetzt täglich ins Büro nach Duisburg-Mitte. Er nimmt die Trasse „Rheinische Bahn“, die immerhin bis Mülheim fertig ist – pro Strecke sind es 20 Kilometer, also radelt er täglich 40, bei jedem Wetter. „Man ist sofort viel ausgeglichener, und dass es der Fitness guttut, ist sowieso klar“, sagt Adrian. Das Elektro-Rad als Auto-Ersatz – Radfahrer wie Adrian sind der lebende Beweis dafür, dass diese Idee nicht bloß auf dem Papier besteht. „Ich frag’ mich bloß, wie das im Winter werden soll – wenn der Radschnellweg nicht geräumt ist.“ Er hat eine Mail an den Oberbürgermeister geschrieben mit der Bitte, sich um das Problem zu kümmern. „Ich bin ja nicht der einzige Pendler, der aufs Rad umgestiegen ist, auf der Trasse sieht man es doch jeden Tag.“ Er engagiert sich für die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“. Eine der Forderungen: 1000 Kilometer Radschnellwege in ganz NRW. Damit mehr Leute aufs Rad umsteigen.