Essen. Gegen eine „namhafte Kaution“ ist ein Transplantations-Mediziner des Uniklinikums Essen nun auf freien Fuß gekommen. Die Ermittlungen dauern an.

Der leitende Transplantationsmediziner des Uniklinikums Essen, der in der vergangenen Woche inhaftiert worden war, ist – gegen Auflagen – wieder auf freiem Fuß.

Das Amtsgericht Essen setzte den Haftbefehl gegen den Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie auf Antrag der Staatsanwaltschaft Essen am Donnerstag außer Vollzug. Wie Oberstaatsanwältin Anette Milk mitteilte, bestehe gegen den 61-Jährigen zwar weiter ein dringender Tatverdacht, die Haftgründe stellten sich aber „abgeschwächt“ dar. So habe der Beschuldigte eine „namhafte Summe“ als Kaution hinterlegt, was eine Fluchtgefahr deutlich mindern dürfte.

Arzt soll nicht erforderliche Eingriffe durchgeführt haben

Außerdem hat das Uniklinikum den Mediziner freigestellt. Damit dürfte auch die Gefahr gebannt sein, er könnte „weitere Taten ähnlicher Art begehen“. So hatte es noch am Tag seiner Verhaftung (4. September) in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft geheißen.

Bei den Taten, die dem Mediziner vorgeworfen werden, handelt es sich um „nicht erforderliche Leber-Transplantationen“: Von 2012 bis 2015 soll er sechs dieser Eingriffe durchgeführt oder zugelassen haben, dass Kollegen sie durchführten, obwohl es in den Fällen „risikoärmere, alternative Behandlungsmöglichkeiten mit guter Prognose gegeben“ habe. Das soll dem Mediziner bewusst gewesen sein.

Nach einer Transplantation starb der Patient

„Eine der Transplantationen soll zum Tode des Patienten geführt haben“, sagt Milk. So geht es nicht nur um Verstöße gegen das Transplantationsgesetz und gefährliche Körperverletzung – sondern auch um einen Totschlagsverdacht. Der Arzt weist die Vorwürfe zurück.

Die Ermittlungen waren durch einen Bericht der Prüfungs- und Überwachungskommission ausgelöst worden, die u.a. im Auftrag von Bundesärztekammer und Krankenkassen die Transplantationszentren prüft. Sie hatte vergangenes Jahr erklärt, in Essen sei „willentlich und systematisch“ gegen die Richtlinien verstoßen worden.

Staatsanwältin zur Kaution: „Es muss schon weh tun.“

Die aktuellen gehen nun klar über die damaligen Vorwürfe hinaus. Die Staatsanwaltschaft stützt sich hier auf das Gutachten eines Sachverständigen, den sie mit der Auswertung der Krankenakten betraut hatte. Inzwischen habe man weitere Patientenakten beschlagnahmt, die ebenfalls ausgewertet werden, so Milk. Da die Papiere sichergestellt seien, entfalle der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr.

Zu den Auflagen gegen den freigekommenen Arzt und zur Höhe der Kaution sagt Milk nur, dass sich Letztere nach der finanziellen Lage des Beschuldigten richte: „Es muss schon weh tun.“ Im Fall des Arztes darf man wohl von einer sechsstelligen Summe ausgehen.

>> FALL BROELSCH WAR ANDERS GELAGERT

2010 wurde ein Vorgänger des jetzt beschuldigten Arztes zu drei Jahren Haft wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung verurteilt: Der als Leber-Papst bekannte Christoph Broelsch hatte Patienten gegen „Spenden“ von mehreren tausend Euro eine Vorzugsbehandlung ermöglicht.

Im aktuellen Fall des 61-Jährigen Arztes geht die Staatsanwaltschaft nicht davon aus, dass es pekuniäre Motive gegeben habe.