Essen. . Der Fahrgastverband Pro Bahn hält derzeit nichts von einer Privatisierung des Busverkehrs im Revier. Es sei denn, es gäbe eine regionale Lösung.
Mal kommen die Busse zu spät, mal kommen sie gar nicht. Mal bleiben sie liegen, weil der Sprit ausgeht. Es sind hahnebüchene Geschichten, die Lothar Ebbers, dem Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn, zu Ohren gekommen sind. Zugetragen haben sie sich vor einigen Jahren im hessischen Kreis Germersheim. „Chaos, Chaos, Viabus“ titelte die lokale Presse. Was das mit Essen zu tun hat?
Viabus ist eines jener drei privaten Busunternehmen, die durch eine Beschwerde bei der Vergabekammer der Bezirksregierung Münster erreicht haben, dass die beabsichtigte Direktvergabe der Nahverkehrsleistungen der Städte Essen, Mülheim und weitere Kommunen durch den Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) an die Ruhrbahn auf Eis liegt. Ein Paukenschlag. Geht es doch nicht um weniger als um die Frage, ob die Städte gezwungen werden, den Betrieb von Bussen und Bahnen öffentlich auszuschreiben. Kurz: Es geht um die Privatisierung des öffentlichen Nahverkehrs. Drohen in Essen Verhältnisse wie im hessischen Germersheim? Lothar Ebbers von Pro Bahn kann davor nur warnen.
Ex-Evag-Chef berät privates Busunternehmen und verdient mit
Treibende Kraft hinter der Beschwerde der privaten Busunternehmen ist der ehemalige Vorstand der Essener Verkehrs-AG (Evag), Wolfgang Meyer. Ausgerechnet der Meyer stöhnen sie bei der aus der Evag hervorgegangenen Ruhrbahn. Dort kommt gar nicht gut an, dass der ehemalige Chef für die private Konkurrenz in Sachen Privatisierung aufs Tempo drückt. Geht es für den kommunalen Verkehrsbetrieb doch in letzter Konsequenz doch um die Existenz.
Meyer, Inhaber der auf Nahverkehrsfragen spezialisierten Unternehmensberatung Linearis ist nach eigenen Worten als Berater von Viabus tätig. Dem Busunternehmen mit Sitz in Speyer ist er aber darüber hinaus verbunden. Viabus ist ein Tochterunternehmen der Metropolitan European Transport (MET). Die sammelt in Großbritannien Risikokapital ein, um den Nahverkehrsmarkt in Deutschland aufzurollen.
Meyer sitzt im Vorstand, laut Geschäftsbericht 2016 hält er persönlich fünf Prozent der Anteile. Inzwischen seien es nur noch drei Prozent, sagt er selbst. Käme Viabus zum Zuge, würde Meyer mitverdienen. Er selbst sagt, er wolle verhindern, dass der Nahverkehrsmarkt im Ruhrgebiet über Jahrzehnte für private Anbieter abgeschottet wird.
Die Direktvergabe
Die Stadt Essen sieht in der Direktvergabe der Nahverkehrsleistungen an die Ruhrbahn den richtigen Weg, um den Stadtverkehr sicherzustellen. Für eine Direktvergabe spreche auch das Finanzierungsmodell. Verluste des Nahverkehrs werden zum Teil durch Gewinne anderer städtischer Gesellschaften aufgefangen.
Die Laufzeit von 22,5 Jahren begründet die Stadt mit den hohen Investitionen in Fahrzeuge und Infrastruktur. Die Vergabekammer der Bezirksregierung Münster schätzt den Auftragswert auf fünf Milliarden Euro.
Tatsächlich soll die Ruhrbahn über einen Zeitraum von 22,5 Jahren mit den Nahverkehrsleistungen betraut werden. Auch das könnte zur Sprache kommen, wenn am 16. Januar 2019 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) über die Beschwerde des VRR gegen die Entscheidung der Vergabekammer verhandelt wird. Diese hatte die lange Laufzeit gerügt, ihr Urteil aber damit begründet, dass der von den Kommunen betraute Verkehrsverbund für die Vergabe gar nicht zuständig sei. Der VRR sieht dies anders. Auch sei die Direktvergabe sehr wohl mit dem EU-Recht vereinbar. Eine solche lässt eine entsprechende Verordnung nur als Ausnahme zu.
„Fahrgäste wären die Leidtragenden“
Eine richtungsweisende Entscheidung wird aus Luxemburg erwartet, wo am Europäischen Gerichtshof über zwei vergleichbare Streitfälle verhandelt werden. Am heutigen Donnerstag soll sich dazu der Generalstaatsanwalt äußern. Kommen die Privaten zum Zuge?
Lothar Ebbers sähe das skeptisch: Leidtragende wären am Ende die Fahrgäste. Der Pro-Bahn-Sprecher gibt zu bedenken, dass Buslinien in Essen zentraler Bestandteil des Nahverkehrsnetzes sind; viele Linien führen über den Hauptbahnhof. „Eine Trennung von Bus und Schiene wäre chaotisch“, ist Ebbers überzeugt.
Die Niederlande zeigen, dass Wettbewerb funktionieren kann
Dass es auch anders geht, zeige das Beispiel Niederlande. Dort herrsche im Nahverkehr ein gesunder Wettbewerb „mit guten Ergebnissen auch für die Fahrgäste“. Der für Ebbers entscheidende Unterschied ist dieser: Verkehrsleistungen werden nicht von den Kommunen ausgeschrieben, sondern von den Provinzen, also von organisatorisch größeren Einheiten. So ließe sich der ÖPNV effizienter organisieren – und günstiger.
Aufs Ruhrgebiet gemünzt hieße das: Aufgabenträgerschaft und Planung müssten nicht länger in den Händen der Städte und Kreise liegen, sondern auf regionaler Ebene, beim VRR oder beim Regionalverbund Ruhr. Dies würde politischen Willen voraussetzen und eine Änderung des ÖPNV-Gesetzes. Es herrscht jedoch weiter Kleinklein. Das Beharrungsvermögen sei enorm, nicht nur auf Seiten der Gewerkschaften, aus deren Sicht dafür gute Gründe sprechen, sondern auch auf Seiten der Kommunen. Und So lange das so ist, seien die Fahrgäste mit einer Direktvergabe nun mal besser bedient.