Essen. . „Achtung Deutsch!“ Komödie sorgt im Rathaus-Theater für Begeisterung. „Lindenstraßen“-Star Joachim Luger bringt Multikulti-WG in Erklärungsnot

Wo lassen sich die komischen Auswüchse deutscher Bürokratie trefflicher belächeln als in einem Rathaus-Theater. Wo mittags der Integrationsrat tagt, heißt es nun abends „Achtung Deutsch!“. So betitelt ist die vielfach ausgezeichnete Komödie von Stefan Vögel, die vom Essener Premierenpublikum jubelnd gefeiert wurde.

In der Multikulti-Komödie wird das Thema Integration mit reichlich Augenzwinkern und dem leichtfüßigen Umgang mit nationalen Klischees auf einen einfachen Nennern gebracht: Was ist deutsch? Wie wird man deutsch? Und ist die Idee vom deutschen Idealbürger nicht schon an sich eine Farce, der man eigentlich nur mit Rollenspielen begegnen kann? In der Inszenierung von Altmeister Jochen Busse gerät das Spiel mit Persiflage und Pointe zum herrlich absurden Vergnügen.

Vorzeige-Zuwanderer mit Germanistikstudium

Der Syrer Tarik, die Französin Virginie, der Italiener Enzo, der Österreicher Rudi und ihr deutscher Vermieter Henrik Schlüter leben in einer Wohngemeinschaft. Fünf Studenten aus fünf Ländern, die sich plötzlich als deutsche Familie präsentieren sollen. So will es die Wohnungsgenossenschaft, die die Multikulti-WG irrtümlich als deutsche Familie Schlüter führt und nun einen Prüfer, den pflichtgetreuen Herrn Reize schickt, um die Wohnsituation zu prüfen. Der findet neben Dirndl, Kuckucksuhr und Kalbsbratwurst vier Bewohner, die sich in Abwesenheit ihres verreisten deutschen Vermieters in abenteuerliche Rollenspiele stürzen, um als vermeintlich deutsche Familie durchzugehen. Jens Hartwigs Tarik, der Vorzeige-Zuwanderer mit Germanistikstudium und Einbürgerungswunsch, wird zum Proll-Papa, der Frau und Söhne ordentlich an die Kandare nimmt, wie man es sich aus dem Fernsehen abgeguckt hat: Das RTL 2-Rollenmodell als Vorbild bundesdeutscher Familienherrlichkeit.

Ein Kontrolleur mit Herz in der Mittagspause

Da wird so lustvoll überzogen und vergnüglich persifliert, dass man die Logik bisweilen gerne hinten anstellt. Angelo Konzett ist als grandioser Wiener Grantler mit Hang zum Alkohol fast schon ein würdiger Erbe von Moser und Muliar. Vincenzo Tatti spielt einen 1a-„Flasche leer“-Italiener, dessen ulkiger Möchtegern-Machismo nicht nur bei Virginie ins Leere läuft. Noelle Fleckensteins „Wickie“ stößt mit ihrer Charme-Offensive auch bei Jochen Reize auf Resonanz. Gespielt wird der von Joachim Luger, der – nach über 30 Jahren eben erst aus der „Lindenstraße“ ausgeschieden – seine Vorliebe für komplizierte Mietshaus-Verhältnisse behalten hat. Mit Lust gibt er den Kontrolleur mit Herz, der in der Mittagspause auch mal aus der Prüfer-Rolle fällt. Querulant und Schlapphut-Nachbar Büssing (Friedhelm Schröder) sorgt für extra Verwicklungen. Am Ende steht der eine zwar ohne Hosen, aber keiner ohne Dach überm Kopf da. Standing Ovations für ein vergnügliches Integrationsmodell.

Infos zu Karten und Terminen

Die Komödie „Achtung Deutsch“ ist bis zum 14. Oktober im Rathaus-Theater, Porscheplatz, zu sehen. Vorstellungsbeginn: Di.-Sa. 19.30, So. u. Feiertag 18.30 Uhr. Abweichungen und Zusatztermine im Oktober.

Der 9. und 11. Oktober sind spielfrei, am Sonntag, 14. Oktober, gibt es eine Matinee-Vorstellung um 11.30 Uhr. Karten (20 bis 27 Euro) unter 24 555 55 oder online unter www.theater-im-rathaus.de