Essen. . Premiere im Rathaus-Theater: René Heinersdorff eröffnet Programm mit hauseigener Produktion.  Applaus für prominent besetzte Generationen-Komödie

Drei Zimmer, Küche, Bad und die Tür immer einen Spaltbreit auf zur Vergangenheit: Die ins Rentenalter gekommenen Althippies Anne, Eddi und Johannes suchen in ihrer neuen Alters-WG nicht nur sozialen Anschluss und bezahlbaren Wohnraum. Eigentlich wollen sie auch noch mal das Lebensgefühl von damals spüren: Nächtelang feiern, Wein trinken, diskutieren. Einfach noch mal so lebendig sein wie damals. Blöd nur, dass die Jugend, die eine Etage höher wohnt, weder gern feiert noch diskutiert, sondern dauernd entnervt mit dem Besen aufstampft, wenn unten mal wieder die Post abgeht: Ruhe bitte!

Zum Start eine „hauseigene“ Produktion mit prominenten Gästen

„Wir sind die Neuen“ heißt die Generationen-Komödie von Ralf Westhoff, die vor zwei Jahren im Kino für Furore gesorgt hat und nun auch auf der Bühne des Rathaus-Theaters prächtig funktioniert. Dass es zur Premiere besonders feierlich zuging und die Reihe der Gruß-Redner von Oberbürgermeistern Thomas Kufen über Essens prominentesten Rathaus-Mimen Thomas Glup bis zu Schauspieler Hugo Egon Balder reichte, ist nicht nur der Tatsache zuzuschreiben, dass mit René Heinersdorff ein neuer und erfahrener Privattheater-Mann die traditionsreiche Boulevardtheaterbühne übernommen hat (nach Heinersdorff-Angaben eine von 15 dieser Größenordnung bundesweit und die einzige unter einem deutschen Rathaus-Dach). Auch der Wasserschaden, der den Start um Wochen verzögert hatte, hat das Verhältnis zum städtischen Hausherren wohl eher gestärkt als unterspült.

Und so steht dem Einzug der „Neuen“ am Porscheplatz also nichts mehr im Weg. Dass das Rathaus-Theater unter neuer Leitung mit einer hausgemachten Essener Inszenierung startet und nicht mit einem Tourneeproduktion, ist Ehrensache für René Heinersdorff, der hier auch Regie führt. Und mit Westhoffs WG-Komödie gleich ein ziemlich glückliches Händchen beweist. Die erzählt mit schöner Leichtigkeit, Gespür für Situationskomik und amüsanten, dem echten Leben abgehörten Dialogen von den jungen Alten, die den engstirnigen, krampfig-gestressten Jungspießern von oben mal das Leben erklären wollen. Nach barscher Ablehnung („Wir sind die Ablösung!“), entwickelt sich zwischen den unterschiedlichen Wohngemeinschaften bald doch so etwas wie eine Annäherung.

Der Theatermacher René Heinersdorff

René Heinersdorff stammt aus einer Theaterfamilie. Der Regisseur, Schauspieler, Autor und Theaterchef betreibt bereits die Komödie an der Kö in Düsseldorf und das Theater am Dom in Köln. Das Rathaus-Theater ist nun die dritte Boulevard-Bühne im Bunde. Ein Haus ohne öffentliche Mittel könne nur im Verbund funktionieren, so sein Credo.

Mit der Übernahme des Rathaus-Theaters sieht Heinersdorff „den Boulevardstandort Rhein-Ruhr deutlich gestärkt“. Durch die drei Theater mit insgesamt über 1000 Plätzen könne eine Produktion jetzt mit rund 150 Vorstellungen kalkuliert werden. Und: Die Position gegenüber den Verlagen bei Aufführungsrechten wurde so verbessert.

Joachim H. Lugers idealistischer, altlinker Anwalt Johannes bringt der lernblockierten Jura-Studentin Katharina (Katharina Schmidt) das Grundgesetz näher. Bei Lutz Reichert wird der 68er-Casanova Eddi zum Beziehungsberater der unsicheren Barbara (Julie Stark). Und die quirlig-zarte Anne von Simone Rethel macht den blassen Thorsten (Florian Gierlichs) nicht nur in den Hüften lockerer.

Das alles bringt Heinersdorff mit gutem Timing, stimmungsvollem Santana-Sound und einem Ensemble auf die Bühne, das mit Selbstironie, Augenzwinkern und erkennbarem Spaß am lustvollen Überdrehen der Althippie-Figuren vom Clash der Generationen erzählt. Lebenserfahrung, Liebeskummer, geplatzte Träume, verpasste Chancen, verlorene Ideale, all das wird höchst unterhaltsam und mit fröhlich-frotzelndem Ton verhandelt, ohne sich dabei je in Selbsterkenntnis-Kitsch zu verlieren. Großer Premieren-Applaus.

Vorstellungen bis zum 13. November, Karten unter € 0201-24 555 55