Essen. . Bei der Aktion „WAZ öffnet Pforten“ bekommen die Leser einen Einblick in das Innenleben der Mintarder Brücke – und einen besonderen Ausblick.
Donk, donk, donk. Regelmäßig schlägt es dumpf über unseren Köpfen. Kaum vorzustellen, dass gerade Lkw nur wenige Meter über uns entlangrauschen, während wir mit orangefarbenen Warnwesten und passenden Schutzhelmen im Hohlraum der Mintarder Brücke stehen. Unsere Aktion „WAZ öffnet Pforten“ führt 20 Leser in das Innenleben der A 52-Brücke über dem Ruhrtal.
André Deutenberg ist Projektleiter vom Landesbetrieb Straßen.NRW und für die Instandhaltung der Brücke verantwortlich. Zusammen mit vier Kollegen führt er uns in den Hohlraum unter der Fahrbahn, der für Wartungsarbeiten genutzt wird. Seit 1966 ist die Brücke in Betrieb, 1800 Meter lang, von 18 Pfeilern getragen und am höchsten Punkt 65 Meter hoch.
Um die Mintarder Brücke ranken sich viele Mythen
Staunend schaut die Gruppe sich um. „Diese Brücke ist etwas ganz Besonderes für mich“, sagt Sylvia Giolbaß. Ihr Mann Michael hat sie zum Geburtstag mit der Führung überrascht. „Ich habe noch Erinnerungen daran, wie ich als Kind mit meinen Eltern die Brücke überquert habe.“ Bis heute liebe sie es, mit dem Cabrio drüber zu fahren oder mit dem Boot drunter her. „Die Brücke symbolisiert für mich Heimat.“
Eine besondere Bindung zur Mintarder Brücke haben viele der Teilnehmer. So auch Hans Barthelmes. Der 88-Jährige war 1963 an Planung und Bau der Brücke als Statiker beteiligt und fachsimpelt mit den Gästeführern von Straßen.NRW. Er erinnert sich an viele Konstruktionsdetails, die Baugeschichte der Brücke und welche Firmen die Bauteile herstellten: „Leider gibt es viele von ihnen nicht mehr. Beeindruckend ist die Brücke aber bis heute.“
Doch auch die verschiedensten Mythen und Geschichten ranken sich um das Bauwerk – Erzählungen von einbetonierten Bauarbeitern sind ein Gerücht, Selbstmörder aber traurige Realität. „Das ist ein Grund, warum 1985 ein weiterer Zaun ans Geländer gebaut wurde“, erzählt Bettina Hammer von Straßen.NRW.
360-Grad-Ausblick übers Ruhrtal
Während über uns die Autos hinwegfahren, wandern wir durch den mäßig beleuchteten Hohlraum über einen Wartungsgang, immer weiter in das Herz der Brücke herein. Gut ein Drittel der Brückenlänge haben wir überwunden, dann steht die Gruppe vor Pfeiler Nummer 5. Ein in den Boden eingelassenes Gitter wird hochgehoben, eine Leiter heruntergelassen. Wir dürfen auf eine Plattform, die direkt unter der Brücke angebracht ist. In 50 Metern Höhe bekommen die Leser einen 360-Grad-Ausblick über das Ruhrtal.
Andreas Kurtenbach wirkt aufgeregt. Er habe zwar leichte Höhenangst, aber der Nervenkitzel führe ihn dennoch auf jede hohe Spitze. Nach dem Kölner Dom und der Kirche Sagrada Familia in Barcelona sei jetzt auch die Mintarder Brücke dran. Ein Mitarbeiter erklärt: Fünf Sekunden Fallzeit bis zum Boden. Wir steigen die Leiter wieder hinauf.
Auf dem Rückweg halten wir noch einmal an. Klaus Gustenhofen von der Autobahnmeisterei zeigt auf eine unscheinbare Ecke. „Hier habe ich vor 24 Jahren das entführte Mädchen gefunden. Ich habe wie gewohnt das Licht im Hohlraum angemacht und dann lag sie da“, erzählt er.
Das Mädchen war die Tochter eines Hausmeisters, der bei einem der Eigentümer des Aldi-Konzerns angestellt war. Die Entführer hofften auf Lösegeld und hatten sich die Brücke als Versteck für ihr Opfer ausgewählt. Gustenhofen hatte die damals Zwölfjährige aus dem Hohlraum getragen und die Behörden alarmiert. Tagelang bewegte der spektakuläre Fall damals die Öffentlichkeit.
Leser zeigen sich beeindruckt
Kurz herrscht Stille. Sogar die Autos scheinen abgestellt. „Das werde ich niemals vergessen. Zum Glück ist alles gut ausgegangen.“
Als wir aus der riesigen Tür wieder ins Sonnenlicht treten, sind die Leser sichtlich beeindruckt. „Ich bin so froh, hier gewesen zu sein. Hoffentlich kann ich noch meinen Urenkelkindern von der Brücke erzählen“, sagt Sylvia Giolbaß. Danach geht es für alle in ihre Autos – wir reihen uns wieder in das monotone Poltern auf der Brücke ein.