Essen. . Fachkräfte der Windkraft-Branche arbeiten in luftiger Höhe und sind oft unterwegs. Viele junge Deutsche winken ab, Flüchtlinge sehen eine Chance.

Vom Happy End aus betrachtet ist die Geschichte ganz einfach: Die Windkraft-Branche sucht händeringend Fachkräfte und hat sie nun in Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak gefunden. So stehen in der Kraftwerksschule im Deilbachtal am Donnerstag zwölf junge Männer: ein Zertifikat in der Hand – und einen Job greifbar nah.

Bis zu diesem Moment war viel Vorbereitung und Feintuning notwendig, mussten zig Stellen zusammenarbeiten. Geschehen ist das im Projekt „Empower Refugees“ (etwa: „Befähige Flüchtlinge“), das Jobcenter, Kraftwerksschule und Arbeitgeber mit den Flüchtlingen zusammengebracht hat. Fast ein Jahr lang habe man zuvor in Deutschkursen und andernorts für die Ausbildung geworben, um dann 130 Interessenten bei einer Info-Veranstaltung zu begrüßen.

Gruppenbild mit Oberbürgermeister Thomas Kufen (mit hellblauer Krawatte) und Projektbeteiligten: die jungen Flüchtlinge mit ihren Zertifikaten.
Gruppenbild mit Oberbürgermeister Thomas Kufen (mit hellblauer Krawatte) und Projektbeteiligten: die jungen Flüchtlinge mit ihren Zertifikaten. © Stefan Arend

Danach schrumpfte die Gruppe erheblich: „Wir brauchen Leute, die schwindelfrei sind, keine Angst haben, auf einen 100 Meter hohen Turm zu klettern und dort bis zu acht Stunden auf einer Plattform zu arbeiten“, sagt Projektleiter Christian Jaffke. Außerdem müsse man in der Windkraft-Branche viel reisen; niemand dürfe damit rechnen, in der Woche abends bei der Familie zu sein. So mag sich der akute Fachkräftemangel erklären.

Die syrische Ausbildung wurde hier nicht anerkannt

Doch für viele Flüchtlinge zählte mehr, dass sie mit dem Beruf später einmal ihre Familie ernähren können. „Wir haben nicht viele Chancen, hier eine feste Stelle zu bekommen“, sagt etwa Hossein Mowludi. In Syrien sei er medizinischer Labortechniker gewesen, doch das hätten die deutschen Behörden nicht anerkannt, ergänzt Adbulbaset Alhmidi (27). Er kenne viele, denen es ähnlich gehe, die gut ausgebildet oder studiert seien, gern arbeiten möchten und am deutschen Papierkrieg verzweifelten.

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Die aktuelle Debatte über die Flüchtlinge mache ihn traurig. Ja, es gebe auch Landsleute, „die nur das Geld vom Jobcenter nehmen und nichts tun wollen – aber das sind höchstens ein Prozent“. Für die anderen zähle, „dass man ihnen eine Tür öffnet, den ersten Schritt ermöglicht“.

Diesen ersten Schritt haben er und seine elf Mitschüler jetzt gemacht: Fünf Monate Unterricht und Praktika haben sie hinter sich. Nun können sie eine 16-monatige Ausbildung anschließen, an deren Ende sie Industrieelektriker Betriebstechnik mit Schwerpunkt Windenergie und so gut wie angestellt sind. „Wir können schon zusagen, dass wir sie einstellen“, sagt Ian-Paul Grimble, Geschäftsführer der PSM in Erkelenz über seine Praktikanten.

Eine Sozialpädagogin hat die Flüchtlinge begleitet

„Wir sind so begeistert, dass wir unser Ziel jetzt bis zum Ende erreichen“, bekräftigt Mahiadin Baklaro. Diese Zuversicht speist sich auch aus der Erfahrung, dass man sie an die Hand genommen, intensiv betreut hat. Denn obwohl die Teilnehmer gut Deutsch sprechen, nennt Alhmidi die Sprache ihr Handicap. Es sei sehr hilfreich, dass sie während der Qualifikation von einer Sozialpädagogin begleitet wurden: „Ihr Büro stand immer offen, sie hat alle Probleme gelöst.“

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Ohne solche Mittler gehe es nicht, sagt Jobcenter-Leiter Dietmar Gutschmidt, der zugleich die „ungeheure Motivation“ der Teilnehmer lobt und das Projekt als Vorbild für den Essener Arbeitsmarkt bezeichnet. Es werde oft darüber geredet, was alles nicht klappe, sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen, der den jungen Männern die Zertifikate überreicht, sie aber zeigten, wie es gelingen könne: „Shukran!“ Das heißt Danke und kommt als Geste gut an.

>>> AUSBILDUNG ZUM INDUSTRIEELEKTRIKER

Im Projekt Empower Refugees bereiteten sich zwölf Flüchtlinge auf eine Ausbildung vor. Sie hatten Unterricht und machten Praktika bei Windenergie-Firmen. Alle haben die Qualifikation erfolgreich beendet. In einer 16-monatigen Ausbildung können sie nun Industrieelektriker Betriebstechnik in der Windenergie werden – mit Beschäftigungsgarantie.

Die aktuellen Teilnehmer machen Werbung für die Ausbildung, so dass sich schon 35 weitere Kandidaten gemeldet haben