Essen. . Tattoos sind längst gesellschaftsfähig geworden, und in vielen Büros sind sie erlaubt. Aber selbst tolerante Arbeitgeber setzen Grenzen.

Aus den Lautsprechern im Tätowierstudio „Glaube Liebe Hoffnung“ hämmert knackiger Heavy-Metal-Rock von Motörhead. Ein stabiler Soundteppich, der sich über den surrenden Dauerton der Tätowiermaschine legt. Sebastian Majoreck (28) aus Altenessen ist schon seit zehn Jahren Stammkunde in der Alfredistraße, Tätowierer Conny zaubert ihm heute einen Heißluftballon auf die noch freie Innenseite des Oberarms. „Tattoos sind immer gesellschaftsfähiger geworden, auch am Arbeitsplatz“, sagt Conny (37), der auf mittlerweile 13 Dienstjahre zurückblickt.

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„Ja, es geht lockerer zu“, bestätigt auch Sebastian, der in seiner Firma eine Führungsposition bekleidet. Dennoch gebe es für ihn nach wie vor Grenzen. „Tätowierungen sind erlaubt, dürfen aber nicht sichtbar sein.“ Soll heißen: Gesicht, Hals und Hände müssen frei bleiben. Ein anderes Problem: Bei heller Kleidung könnten das Segelschiff auf seinem Oberarm, die Wassernixe oder der Wal in der Flasche durchschimmern. „Ein weißes Hemd kann ich also nicht anziehen.“

Das Sternerestaurant erlaubt sichtbare Tätowierung

 Nelson Müller hat kein Problem damit, wenn Mitarbeiter in seinem Sternerestaurant sichtbar tätowiert sind.
Nelson Müller hat kein Problem damit, wenn Mitarbeiter in seinem Sternerestaurant sichtbar tätowiert sind. © Michael Korte

Die Spitzengastronomie galt lange als eine Branche, in der man fürchtete, Tattoos könnten den Appetit verderben. Aber auch hier ändern sich die Zeiten. Sternekoch Nelson Müller („Die Schote“) hat kein Problem damit, wenn seine Mitarbeiter sichtbare Tätowierungen tragen. Es gehe locker zu, heißt es. Egal ob Spülkraft hinten in der Küche oder Bedienung vorne mit unmittelbarem Kundenkontakt – es werde kein Unterschied gemacht.

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In der Genobank hingegen gilt immer noch eine eher klassische Kleiderordnung. „Beim Einstellungsgespräch wird auf sichtbare Piercings geachtet“, sagt Sprecherin Susanne Wilde. „Bewerber erhalten den Hinweis, dass diese während der Dienstzeit abzulegen bzw. zu bedecken sind. Ebenso dürfen Tattoos nicht sichtbar sein.“ Schon während der Einführungsphase würden Auszubildende über die Kleiderordnung und erwünschte/unerwünschte Kleidung aufgeklärt.

Die kurze Hose war tabu

Sebastian Majoreck schaut alle drei Monate bei „Glaube Liebe Hoffnung“ rein, im Tätowierstudio fühle er sich wie Zuhause. „Ich mache das alles für mich selber“, sagt er. Zwischen 300 und 500 Euro kosten die eher großflächigeren Tattoos: die bunten Rosen auf der Brust, Rosen mit Hibiskus an der rechten Wade. Das geht auf Dauer ins Geld. „Aber ich rauche und trinke nicht, fahre nicht in Urlaub“, hält der 28-Jährige dagegen.

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Als der gelernte Maler und Lackierer vor Jahren in vornehmen Gegenden noch schicke Villen aufhübschte, waren kurze Hosen für seinen Chef absolut tabu. „Die Kunden sollten beim Anblick der tätowierten Waden nicht denken, ich käme gerade aus dem Knast.“

Die Zeiten, als ausschließlich Knackis, Rocker und Matrosen Tätowierungen trugen, sind längst vorbei. Zuerst seien Ende der 1990er Jahre die Tribals aufgekommen. Der Klassiker: das Arschgeweih. „Heute sind Tattoos absoluter Mainstream“, sagt Conny. „Sie sind Statussymbol und längst nicht mehr ein Zeichen der Subkultur.“ In der Gruppe der 25- bis 35-Jährigen soll mittlerweile jeder zweite ein Tattoo tragen. Neuerdings registriert Conny, dass die Generation 40 plus immer häufiger bei ihm und seinen beiden Kollegen vorbeischaut.

Krupp-Krankenhaus erlaubt Tattoos

Locker ist die Praxis im Krupp-Krankenhaus. „Tattoos sind erlaubt, es gibt keine Einschränkungen“, sagt Sprecherin Hille Ahuis. Sichtbare Piercings seien unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzes ebenfalls möglich.

„Wir haben keine festen Regeln, aber auch keine Probleme“, sagt ein Landgerichtssprecher. Piercings und Tattoos werden toleriert.

Ein Polizeianwärter aus Mülheim mit einem großen Löwenkopf auf dem Unterarm hat gegen seine Ablehnung geklagt –
Ein Polizeianwärter aus Mülheim mit einem großen Löwenkopf auf dem Unterarm hat gegen seine Ablehnung geklagt – © Martin Höke

„Auch wir haben keine Probleme“, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender. Kürzlich hatte ein Polizeianwärter aus Mülheim mit einem üppigen Löwenkopf am Unterarm das Land verklagt, weil er zunächst abgelehnt worden war. Das Verwaltungsgericht und jetzt das Oberverwaltungsgericht gaben ihm nun recht: Er musste eingestellt werden.

Tätowierer Conny rät insbesondere jungen Kunden, vorsichtig zu beginnen. „Ich empfehle Hand, Hals und Gesicht von Tattoos freizuhalten.“

>>> NRW-POLIZEI WILL NEUTRAL SEIN

Die NRW-Polizei hat den Anspruch, auch im Auftreten ihrer Beamten neutral zu sein. Tätowierungen sind im „nicht sichtbaren Bereich“ zulässig, heißt es. Im sichtbaren Bereich – Maßstab ist die Sommeruniform (kurzärmeliges Hemd) – sollen Tattoos nicht größer sein als ein durchschnittlicher Handteller. Die Richter waren anderer Meinung.

Eine Folge des OVG-Beschlusses: Bewerber werden nun „unter Vorbehalt“ eingestellt.