Essen. . Im bundesweiten Ranking der schlechtesten Jobcenter landet Essen auf dem unrühmlichen dritten Platz. Jeder dritte Widerspruch war berechtigt.
Das ist kein Ruhmeszeugnis für das städtische Jobcenter: Viele Hartz-IV-Bescheide, die das Amt verschickt, sind fehlerhaft. Essen landete jetzt in einem bundesweiten Ranking der schlechtesten Jobcenter, das die „Bild-Zeitung“ erstellt hat, mit einer Fehlerquote von 32 Prozent auf dem dritten Platz unter den über 400 Jobcentern. In jedem dritten Fall also, bei dem ein Hartz-IV-Bezieher gegen seinen Bescheid Widerspruch einlegte, musste das Amt Rechtsfehler einräumen und sein Schreiben korrigieren.
Die Fehlerquoten beziehen sich auf das erste Halbjahr 2018. Nur im Landkreis Oder-Spree (48,9 Prozent) und in Ingolstadt (39,5) wurden noch mehr fehlerhafte Hartz-IV-Bescheide ausgestellt. Bundesweit lag die Quote im Schnitt bei rund zehn Prozent.
Hartz-IV-Beratungsstellen in Essen bestätigen hohe Fehlerquote
„Das stützt meinen Eindruck, dass die Fehler des Essener Jobcenters im ersten Halbjahr deutlich zugenommen haben“, sagte Jörg Bütefür, der Hartz-IV-Empfänger berät. Auch Andreas Overesch, Vorstand des Vereins Sozialberatung Essen, sagte aus seiner täglichen Praxis-Erfahrung: „Uns überrascht das Ergebnis nicht.“
In den ersten sechs Monaten gingen in Essen 3008 neue Widersprüche ein – auf der anderen Seite wurden 955 wegen „fehlerhafter Rechtsanwendung“ erledigt. Die beiden Zahlen in Relation gesetzt ergibt eine Fehlerquote von knapp 32 Prozent. Die Zahlen gehen aus einer monatlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervor.
Wo das Jobcenter Essen häufig Fehler macht
Nach Erfahrung von Bütefür macht das Jobcenter in diesen Punkten besonders häufig Fehler: Mieten würden zu Unrecht gekürzt, die Kosten für Nachtspeicheröfen würden nicht berücksichtigt ebenso die Pauschale bei einer zentralen Warmwasseraufbereitung.
Bütefür und auch Overesch machen die Personalsituation im Jobcenter für die vielen Rechtsfehler verantwortlich. „Man hat den Eindruck, dass die Mitarbeiter überlastet und auch nicht ordentlich geschult sind“, sagt Overesch. Im Jobcenter sei zuletzt viel neues Personal eingesetzt worden, meint auch Bütefür, der andererseits einräumt, dass die Hartz-IV-Materie komplex ist. Overesch glaubt sogar, dass die hohe Fehlerquote mit dem Hoheitswechsel zusammenhängt: Seit 2012 ist das Jobcenter städtisch und nicht mehr unter der Regie der Bundesagentur für Arbeit. „Da ist viel Personal aus anderen städtischen Ämtern im Jobcenter eingesetzt worden. Aber das sind eben nur Verwaltungsbeamte, die von dem Bereich keine Ahnung hatten und offenbar nicht richtig geschult wurden“, so Overesch.
Stadt nennt Fehlerquote „nicht zufriedenstellend“
„Das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend“, räumte Stadtsprecherin Silke Lenz zum schlechten Abschneiden des Jobcenters ein. Sie bestätigte, dass es einerseits viel Fluktuation in jüngster Zeit in der Behörde gab und viele neue Mitarbeiter eingearbeitet werden mussten. Andererseits sei die Zahl der Hartz-IV-Anträge zuletzt wegen des Flüchtlingszustroms stark gestiegen. „Die Probleme sind erkannt und werden nun strukturell geändert“, kündigte sie an.
Das Jobcenter selbst erklärte, die Schulung der Mitarbeiter sei eine prioritäre Aufgabe. Gleichzeitig mache es sich zusammen mit der Stadt schon seit langem für Rechtsvereinfachungen stark.
Die Personalsituation im Jobcenter Essen gilt als angespannt
Der Stadtrat hatte dem Jobcenter im Jahr 2016 zu den damals 825 Mitarbeitern zusätzlich 214 Stellen bewilligt. Seither seien 278 Mitarbeiter eingestellt worden, teilte das Jobcenter mit. Dass es mehr als die bewilligten Stellen sind, liegt an der Fluktuation. Etwa zehn Prozent und somit 110 Mitarbeiter verlassen jährlich die Behörde.
Derzeit arbeiten 1072 Mitarbeiter im Jobcenter. 68 Stellen sind unbesetzt. Gute Mitarbeiter zu finden, sei jedoch schwierig, weil viele Städte Personal suchen, heißt es. Besonders für den Leistungsbereich fehle es an Fachkräften auf dem Markt. Die Stadt bilde deshalb in einem Verwaltungsstudium Personal fürs Jobcenter fort.