Essen. . Das Publikum des Festivals Nord Open Air in der Essener Innenstadt ließ sich weder Hitze noch Regen davon abhalten, eine große Party zu feiern.

Sonnenuntergang rechts, Kirchturm links – ein idyllisches Festival, mitten in der Stadt. Wenn nicht dazwischen die Terrorgruppe, Hatebreed und ein halbes Dutzend anderer Hardcore- und Punk-Bands auf der Bühne stehen würden. Am Freitag und Samstag feierten Tausende Besucher beim Nord Open Air auf dem Viehofer Platz. Bunt, laut und friedlich. Der Star am Freitagabend: ein Mann mit Gartenschlauch.

Bei mehr als 30 Grad war die Abkühlung, die sich auf die Zuschauer vor der Bühne ergoss, die größte Attraktion. Wer dort tanzte, war nicht schweißnass, sondern patschnass. Dafür gab es Lob von den Sanitätskräften, die beim Festival bereit standen. „Das war eine gute Organisation, der Veranstalter hat sich um seine Gäste gekümmert“, sagte Sven Kottenberg, stellvertretender Leiter Rettungsdienst des Arbeiter-Samariter-Bundes. „Es gab genug Wasser, die Leute bekamen Kraneberger umsonst, wir hatten keine Einsätze wegen der Hitze.“ Trotz der großen Zahl von Besuchern sei es ein weitgehend ruhiger Dienst für die Sanitäter gewesen, „hin und wieder musste mal ein Wespenstich behandelt werden“.

Friedliche Stimmung, kaum Einsätze für Sanitäter

Das umsonst-und-draußen-Festival, das zum neunten Mal vom Café Nord organisiert wurde, setzte in diesem Jahr auf Metal und Hardcore, beim Auftritt von Terrorgruppe am Freitag zeigte sich aber, dass auch Freunde eher heiterer Punkmusik auf den Viehofer Platz gekommen waren. Das eingezäunte Karree an der Kirche St. Gertrud platzte bei den Auftritten der Headliner Hatebreed am Freitag sowie At The Gates und The Night Flight Orchestra am Samstag aus allen Nähten.

Rund um das Festival in der nördlichen Fußgängerzone und auf dem Pferdemarkt suchten sich die Besucher Schattenplätze und versorgten sich an den Büdchen vornehmlich mit Bier. Auch hier herrschte gute und friedliche Stimmung, die Polizei hatte in ihrem Abschlussbericht am Sonntagvormittag keine besonderen Vorkommnisse zu vermelden.

Externe Firma überprüfte Lautstärke

„Ich bin sehr glücklich darüber, wie es gelaufen ist, trotz der Ausnahmesituation mit der Hitze am Freitag“, sagt Veranstalter Marco Vorst. „Die Unwetterfront am Samstag hat uns nicht erwischt“, und so habe er sein persönliches Highlight mit der Band At The Gates genießen können. „Ich habe jahrelang versucht, die zu bekommen“, nun klappte es mit der schwedischen Death-Metal Band.

Hände hoch, sonst Abkühlung.
Hände hoch, sonst Abkühlung. © Socrates Tassos

Vorst weiß, „dass es für manche Menschen schwierig ist, sich mit dieser Art von Musik auseinanderzusetzen“. Er warb aber bei den Nachbarn um Verständnis, schließlich seien es zusammen mit dem stilistisch ähnlichen Turock Open Air insgesamt nur vier Tage im Jahr, an denen der Viehofer Platz zur Metal- und Rock-Arena würde. Eine externe Firma sei damit beauftragt gewesen, Lärmpegel- und Emissionsschutzmessungen durchzuführen, „damit wir die vorgeschriebenen Werte einhalten und es nicht zu Beschwerden von Anwohnern kommt“.

2019 findet das Nord Open Air zum zehnten Mal statt. Vorst, der bis Montag noch mit dem Abbau und Abtransport des Festival-Equipments beschäftigt ist, hat sich noch keine Gedanken zur Jubiläumsausgabe gemacht. „Ich frage mich ohnehin jedes Jahr, wie ich das noch toppen soll“, sagt er. „Man darf ja nicht größenwahnsinnig werden.“

>>> Haltung der Stadt zu Lärmschutz empört Anwohner

Der Streit um die Beschallung der Umgebung an den insgesamt vier Festivaltagen im Sommer reißt nicht ab. Das Ordnungsamt der Stadt hat nun in einem Brief um Verständnis geworben für die Lautstärke bei den Musikveranstaltungen am Viehofer Platz – und dabei nach Ansicht von protestierenden Bewohnern des Univiertels eine fragwürdige Begründung gewählt.

Zwar seien die Anwohner vor gesundheitlichen Schäden durch das „Nord Open Air“ und das „Turock Open Air“ zu schützen, doch müssten die Interessen aller Beteiligten – auch der Veranstalter und Besucher – gegeneinander abgewogen werden, heißt es. Und: „Dabei steht außer Zweifel, dass beide Veranstaltungen ohne einen gewissen, den Rahmen des eigentlich Zulässigen übersteigenden Lärmpegel nicht durchführbar sind.“

Stadt: Überschreitung des Grenzwerts unvermeidbar

Für Anwohner Claus-Dieter Grabner offenbart dieser Satz ein merkwürdiges Rechtsverständnis, das er in einer Reaktion an Ordnungsdezernent Christian Kromberg so zusammenfasste: „Entweder gibt es einen zulässigen Grenzwert oder es gibt keinen.“ Wenn die Veranstaltungen diesen Grenzwert überstiegen, könnten sie eben nicht stattfinden. Als Körperverletzung werde dabei weniger die Dezibel-Zahl empfunden, sondern die über Stunden wummernden und körperlich spürbaren Bässe.

Als Hohn empfindet Grabner auch den Gedankengang im Schreiben der Stadt, es sei „nicht Aufgabe und Ziel der Stadt Essen, allen Essener Bürgern an 365 Tagen im Jahr eine störungsfreie Zeit zu gewährleisten“. Da die vier lauten Veranstaltungen im Vorfeld bekannt seien, hätten „betroffene Anwohner gegebenenfalls die Möglichkeit, sich darauf einzustellen“. Anwohner Grabner in seinem Brief an den Ordnungsdezernenten: „Übersetzt bedeutet der Vorschlag des Ordnungsamtes: Verschwinden Sie über das Wochenende aus der Stadt!“ Faktisch falsch sei auch die Behauptung, dass nach 23 Uhr Ruhe einkehre. Vielmehr werde in der Grünanlage des Univiertels in der Regel bis in die Morgenstunden weiter gefeiert.

Bei der Erteilung der Ausnahmegenehmigung an die Musikveranstalter im Jahr 2013 stelle sich außerdem eine wichtige Frage, die das Ordnungsamt nicht beantworte: „Wurde berücksichtigt, dass nun ein reines Wohngebiet im direkten Einfluss der Beschallung entstanden ist?“