Essen. . Eine Gruppe Kettwiger möchte eine Kirchenuhr zurück haben. Seit 1979 hängt sie im Rathaus. Wie der OB reagiert und warum das ein Politikum ist.
Seit fast 40 Jahren hat eine Kirchenuhr aus Kettwig einen prominenten Platz im Essener Rathaus. Doch nun fordern einige heimatverbundene Kettwiger das Stück zurück. Der Verstoß irritiert nicht nur Oberbürgermeister Thomas Kufen: „Das Ansinnen ein der Stadt überreichtes Geschenk wieder zurückverlangen zu wollen, mutet doch eher merkwürdig an.“

Schließlich hatten die Kettwiger die Uhr 1979 – vier Jahre nach der Eingemeindung – großherzig für den Rathaus-Neubau am Porscheplatz gestiftet. Weder die betroffene Kirche noch die Kettwiger schienen sie seither vermisst zu haben. Umso überraschender kam jetzt der Antrag der örtlichen SPD, die Uhr nach Kettwig zurückzuholen. Die CDU winkte erst ab, meldete dann Beratungsbedarf an: Bezirksbürgermeister Michael Bonmann will das Streitobjekt nun im Rathaus in Augenschein nehmen. Danach will die Bezirksvertretung über den Antrag entscheiden.
Uhr hatte ihren Platz oberhalb der Orgel
Genau genommen handelt es sich auch nicht um eine Uhr, sondern um das Ziffernblatt einer so genannten Predigeruhr. Sie stammt aus dem Jahr 1749 und hatte ursprünglich ihren Platz in der evangelischen Kirche Kettwig. „Die Uhr war im Innenraum oberhalb der Orgel angebracht. Evangelische Pastoren mussten damals lange predigen und die Uhr war ihre Orientierung“, erklärt Ulrich Stiehler, von 1973 bis 1992 Pfarrer in eben jener Kirche.
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„Bis zum Umbau der Orgel 1963 war sie in Betrieb. Dann wurde das Ziffernblatt abgenommen.“ Das Uhrwerk indes gibt es noch heute hinter der Orgel, nur eine Funktion hat es nicht mehr. Die Kirchturmuhr wird längst elektronisch angetrieben.
Ziffernblatt war von mehreren Holzschichten bedeckt
Das Ziffernblatt, ein im Laufe der Jahrhunderte mit mehreren Farbschichten bedecktes ein mal ein Meter großes Holzstück, landete auf dem Müll. Da fischte es der Vater von Wilfried Jürgens raus; der Küster nagelte damit eine Schießscharte im Kirchenturm zu, damit es nicht so zog.
„Ich fand das Ziffernblatt interessant“, erzählt der Kettwiger. Auf sein Bitten hin tauschte der Vater das Holzbrett Ende der 70er Jahre aus.. „Ich habe beim Museum Folkwang nachgefragt. Aber dort hielt man eine Restaurierung für zu aufwendig.“ Immerhin sieben Farbschichten mussten in Kleinstarbeit mit dem Skalpell abgetragen werden, um die ursprüngliche Bemalung wieder zum Vorschein zu bringen. „Ein wenig zu tief ins Holz geschnitten und das Stück wäre hinüber gewesen“, berichtet Jürgens.
In 300 Stunden restauriert
300 Stunden Arbeit in drei Jahren investierten seine damalige Frau und er in die Restaurierung. Das Ziffernblatt bekam sogar Vergoldungen, was dem Ehepaar Jürgens einige Kaufinteressenten einbrachte, die es aber ablehnte.
„Es passte aber nicht mehr in die Kirche, die Gemeinde hatte es ja auch weggeworfen. Und da haben wir es der Stadt Essen angeboten. Damals wurde das Rathaus eingeweiht und dort sollte es einen würdigen Platz bekommen.“ Die Verwaltung erstattete die Materialkosten und stellte eine Bestätigung des Erhalts aus. Übrigens das einzige Schriftstück über die Schenkung.
OB weist das Ansinnen zurück
Seither hängt das Ziffernblatt, ausgestattet mit einem elektronischen Uhrwerk, im Aufgang zum Ratstrakt. Dort, so finden der Kettwiger Nachtwächter Armin Rahmann, sein Kollege Helmut Wißler, sowie Ulrich Stiehler und einige andere Kettwiger, komme es nicht richtig zur Geltung. Sie möchten das historische Stück, wenn nicht in der ev. Kirche, so doch im Kettwiger Rathaus ausstellen.

Ein Ansinnen, das der Oberbürgermeister mehrfach abgelehnt hat. Vielmehr lasse man dem Stadtteil Kettwig durch die Dauerausstellung im Rathaus eine ganz besondere Bedeutung zukommen. „Es ist der einzige von 50 Stadtteilen, der durch das Geschenk von Herrn Wilfried Jürgens eine herausragende Beachtung findet“, schreibt Thomas Kufen an die Hobbyhistoriker.
Die zum Teil im Verein der Museums- und Geschichtsfreunde Kettwig organisiert sind. Und auch da ist man über diesen Vorstoß nicht ganz glücklich. Der Vorstand ist mit der jetzigen Lösung zufrieden. Im Heimatmuseum ist das Ziffernblatt als Foto ausgestellt.
Ziffernblatt und Uhrwerk vereinen
CDU-Ratsherr Guntmar Kipphardt stößt auf der Sitzung der Bezirksvertretung in das gleiche Horn: „Die Uhr hat einen würdigen Platz im Essener Rathaus.“ Parteikollege und Bezirksvertreter Stephan Sülzer macht darauf aufmerksam, dass die Uhr dort auch bewacht wird.
Ein nicht unwesentliches Argument, das auch Wilfried Jürgens überzeugt. „Es sei denn man fände eine gute Möglichkeit in Kettwig, das Ziffernblatt und das sich im Kettwiger Kirchturm befindliche Uhrwerk wieder zu vereinen, um auch das Uhrwerk vor dem Vergessen zu retten.“ Er könnte sich aber auch sehr gut vorstellen, Ziffernblatt und Uhrwerk im Foyer das Essener Rathauses wieder zusammenzubringen.
Noch ist alles offen. Der Punkt Kirchenuhr-Rückführung wird demnächst wieder BV-Thema sein.
>> Das sagt die evangelische Kirchengemeinde
Die ev. Kirchengemeinde Kettwig erhebt keinen Anspruch auf das Ziffernblatt. „Ich persönlich finde es sehr schön, dass es im Essener Rathaus hängt“, sagt Pfarrerin Silke Althaus. Innerhalb der Gemeinderäume oder der Kirche gebe es keinen passenden Ort dafür.
Was mit dem Uhrwerk passiert, damit müsse sich das Presbyterium bei Bedarf beschäftigen, so Althaus.