Essen. . Über 68.000 Menschen in Essen sind zahlungsunfähig. 2500 suchten Unterstützung bei der Schuldnerhilfe. Sie setzt jetzt verstärkt auf Prävention.

Die Wirtschaft boomt, und trotzdem wachsen auch die Schulden. Über 68 000 Essener sind überschuldet und dauerhaft zahlungsunfähig. Diese Zahl stellte jetzt die Schuldnerhilfe in ihrem Jahresbericht 2017 vor. Sie bezieht sich dabei auf den Schuldneratlas der Auskunftei Creditreform.

Betroffenen Menschen versucht das gemeinnützige Unternehmen, das eine Tochter der Arbeiterwohlfahrt ist, zu helfen. „Der Gang zur Schuldnerhilfe fällt den Menschen nicht leicht“, sagt Geschäftsführer Philipp Hennen. Sie kämen nur, wenn sie nicht mehr alleine aus ihrer Notlage herauskommen. Dennoch waren es gut 2500 Essener, die sich beraten lassen haben. „Für die Schuldnerhilfe war es ein gutes Jahr“, resümiert Hennen, denn die Berater konnten helfen, Schulden von insgesamt elf Millionen Euro zu regulieren. Zudem sei jeder zweite Insolvenzantrag von der Awo-Tochter begleitet worden.

Bundesweit weniger Insolvenzen

Der Schuldneratlas zeigt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle.
Der Schuldneratlas zeigt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. © Hoffmann

Während die Insolvenzzahlen bundesweit zurückgehen, merke man davon in der Beratungsstelle am Pferdemarkt in der Innenstadt nichts – im Gegenteil. Immer mehr Essener würden in eine finanzielle Notsituation geraten (plus 1,4 Prozent zum Vorjahr), und die Schuldnerquote liegt mit 13,8 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von zehn Prozent. Zudem zeigt sich ein Nord-Süd-Gefälle: So weist die Innenstadt mit 26,6 Prozent die höchste Überschuldungsquote auf, während in Heisingen nur 4,4 Prozent der Menschen zahlungsunfähig sind.

Philipp Hennen überrascht dieses Gefälle nicht, weil sich darin andere gesellschaftliche Probleme widerspiegeln. „Nicht jeder, der arbeitslos ist oder Hartz IV bezieht, verschuldet sich“, sagt aber Oberbürgermeister Thomas Kufen, der das Engagement der Schuldnerhilfe unterstützt. Tatsächlich sei in Essen die Zahlungsmoral sehr hoch, so Hennen, „viele Menschen zahlen sogar Raten, die weit über das Existenzminimum hinausgehen“. Dagegen gebe es auch viele, die sich wegen des gesetzlichen Pfändungsschutzes mit einem Leben mit Schulden abgefunden hätten.

Hennen möchte jedoch nicht erst dann helfen, wenn es schon zu spät und die Insolvenz der einzige Ausweg ist, nicht erst, wenn die Existenz gesichert werden muss, weil der Strom abgestellt wird oder die Bank kein Geld mehr auszahlt. Deutlich früher will er ansetzen und setzt ab sofort verstärkt auf Prävention, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren.

Multiplikatoren werden geschult

Dazu gehen Fachleute jetzt gezielt in die Jobcenter und warnen vor den Folgen zu hoher Schulden, außerdem möchte die Schuldnerhilfe Fachkräfte aus der Jugendhilfe und der Schule als Multiplikatoren gewinnen und schulen. Das Netz der Kooperationspartner soll ebenfalls ausgebaut werden.

Dies sieht Geschäftsführer Philipp Hennen als Beitrag zur finanziellen Bildung, der möglichst viele Essener davor bewahren soll, in eine finanzielle Notlage zu geraten. Die neuen Angebote sollen überdies die Beratungsstelle auch bekannter machen. Über 1100 Jugendliche haben 2017 laut der Schuldnerhilfe bereits an Bildungsangeboten teilgenommen, doch dies soll nur der Anfang sein.

>> Dienstags gibt’s eine offene Sprechstunde

  • Auffällig ist laut Schuldnerhilfe, dass heutzutage immer mehr Menschen viele niedrige Schulden bei vielen Gläubigern, etwa Versandhändlern oder Elektromärkten, haben. Das erschwert die Hilfe der Berater. In einem Extremfall hatte ein Ratsuchender aus Essen 183 Gläubiger.
  • Die Schuldnerhilfe bietet dienstags von 10 bis 12 Uhr eine offene Sprechstunde am Pferdemarkt 5 an (Anmeldung ab 9 Uhr). Die Hilfe ist kostenlos; finanziert wird die Beratung von der Stadt, dem Land und dem Sparkassenfonds NRW.
  • Kontakt: 0201/ 829260; www.schuldnerhilfe.de