Essen. . Tempelbomber Yusuf T. könnte sich dazu äußern, wie die Angeklagten Jugendliche zu dem Anschlag auf den Sikh-Tempel 2016 aufhetzten.

Im Prozess gegen den Hildesheimer Prediger Abu Walaa und vier weitere Angeklagte kommt es zu einer faustdicken Überraschung: Eigentlich soll an diesem Dienstag vor dem Oberlandesgericht in Celle ein Sachverständiger Rede und Antwort stehen, doch fast nebenbei kommt heraus, dass ein neuer Belastungszeuge aufgetaucht ist: Yusuf T., einer der drei Attentäter auf den Sikh-Tempel in Essen. Er hat sich selbst bei der Polizei gemeldet, weil er umfangreiche Angaben zu den Angeklagten machen möchte, bestätigt ein Vertreter der Bundesanwaltschaft.

Abu Walaa und vier mutmaßliche Komplizen müssen sich seit September unter anderem wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat vor Gericht verantworten. Sie sollen junge Gläubige radikalisiert und als Kämpfer für die Terrormiliz rekrutiert haben.

Dem Vernehmen nach könnte es bei der Aussage des Zeugen unter anderem auch darum gehen, dass einige der Angeklagten den damals 16-Jährigen zu dem Anschlag aufgehetzt haben sollen. Auch zum Kronzeugen in dem Mammut-Prozess, Anil O., will er sich offenbar äußern. Er wird derzeit noch von Beamten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vernommen.

Yusuf T. wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt

Die Jugendstrafkammer des Landgerichts Essen verurteilte Yusuf T. im März vorigen Jahres wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Im April 2016 hatte er zusammen mit zwei Freunden einen selbstgebauten Sprengsatz vor dem Sikh-Tempel gezündet, drei Menschen wurden dabei verletzt. Mittlerweile soll er sich vom Salafismus abgewandt haben und ein Aussteiger-Programm besuchen.

Dass es einen neuen Belastungszeugen gibt, erfahren die Verteidiger, als der Vorsitzende Richter den Sachverständigen Guido Steinberg zum Tragen von Turbanen befragt: Welche Bedeutung habe es, wenn Abu Walaa eine solche schwarze Kopfbedeckung aufgesetzt hat? Hintergrund sei die Aussage eines Zeugen, Yusuf T., wonach der Prediger in Videos erst mit weißen und später mit schwarzen Gewändern und einem Turban zu sehen gewesen sein soll - „so einem, wie er auf dem Schlachtfeld getragen wird“. Steinbergs Antwort: Der frühere IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi habe einen getragen, als er das Kalifat ausgerufen hat.

Bundesanwaltschaft: Von Geheimhaltung könne nicht die Rede sein

Abu Walaas Anwalt Peter Krieger zeigt sich überrascht: Welcher Zeuge? Warum seien ihm dessen Aussagen noch nicht vorgelegt worden? 110 Seiten umfasst das Papier, das nun verteilt wird. „Die Ermittlungen sind geheim gehalten worden“, mutmaßt Krieger. Es gehe darum, diese in eine bestimmten Richtung zu lenken.

Die Bundesanwaltschaft weist diese Vorwürfe zurück: Von Geheimhaltung könne nicht die Rede sein, der Zeuge habe sich erst kürzlich an die Ermittler gewandt. Damit alle Verfahrensbeteiligten genug Zeit haben, die Aussagen zu studieren, wird der Prozess erst in der kommenden Woche fortgesetzt.