Essen. . „Glückauf“ mit Reggae-Groove: Stoppok hat zum Ende der Kohle-Ära eine eigene Version der Bergbau-Hymne eingespielt. Zu hören auf Zollverein.

Glückauf, der Stoppok kommt. Am 24. März ist der gefeierte Songwriter mit Ruhrgebiets-Vergangenheit live auf der Zeche Zollverein zu erleben. Neben seiner Band bringt er eine besondere Überraschung mit: Stoppok hat das „Steigerlied“ eingespielt und erweist dem Bergbau, der 2018 zu Ende geht, damit eine besondere Ehre. Zu hören ist die Einspielung ab dem 27. April auch auf der Kokerei Zollverein, wo die Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ gezeigt wird. Das Steigerlied wird dort als Special-Edition in einer ganz besonderen Form präsentiert und auch als Single-CD zu kaufen sein. Mit Martina Schürmann sprach Stoppok über die Lust am Steigerlied.

Stoppok spielt das Steigerlied. Ist die Melodie seit dem Abschied aus Essen im Ohr geblieben?

Seit ich mich intensiv mit dem Thema befasse, habe ich natürlich alle möglichen Versionen durchgehört. Aber in Bayern, wo ich zuletzt gewohnt habe, und in meiner neuen Heimat Hamburg wird das Steigerlied nicht unbedingt so oft gespielt.

Haben Sie selber nostalgische Verbindungen zum Thema Bergbau?

In meiner Familie ist keiner in den Pütt gefahren, aber trotzdem waren die Atmosphäre und die ganzen Nachlässe der Bergbau-Kultur für mich natürlich allgegenwärtig. In den 1990ern habe ich lange auf Zeche Bonifacius mein Studio gehabt und immer schön auf den Förderturm geguckt. In der alten Lohnhalle in Kray haben wir jahrelang gewerkelt und CDs aufgenommen und waren da sehr kreativ.

Kann das Steigerlied ein Stück unserer Ruhrgebiets-Identität erhalten?

Man könnte meinen, dass dieses Lied gerade bei jungen Leuten gar nicht mehr angesagt ist. Aber letztens habe ich noch jemanden in Recklinghausen getroffen, der bis Ende 30 selber in den Pütt gefahren ist und von dem Lied total geschwärmt hat. Der war Feuer und Flamme: „Das mit dem Arschleder muss einfach rein, das muss man singen!“ Und ich habe auch mit vielen jungen Leuten gesprochen, die mit dem Bergbau nichts mehr zu tun haben. Aber für die ist das Lied trotzdem präsent.

Gern gesehenen auf Zollverein: Zuletzt war der Musiker Stoppok Gast bei „Halbzwölf“-Moderator  Peter Gro§mann.
Gern gesehenen auf Zollverein: Zuletzt war der Musiker Stoppok Gast bei „Halbzwölf“-Moderator Peter Gro§mann.

Was gefällt Stoppok persönlich am Steigerlied?

Die mich kennen, wissen, dass ich nie aus kommerziellen Gründen Musik gemacht habe, sondern eher aus der Folklore komme. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg sind wir nun mal vor allem mit angloamerikanischen Songs beballert worden und haben einen Teil dieser Lied-Kultur verloren. Deshalb ist es wichtig und gut, solche Lieder weiter zu pflegen, ohne natürlich blöd in ein Nostalgieding abzugleiten. Gerade in der heutigen Zeit, wo das rechte Lager wieder versucht, dieses ultrakonservative Heimat-Gefühl zu bedienen, muss man ja zeigen, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist. Der Stolz, den ich durchklingen lassen will, ist anders besetzt: in die Zukunft weisend, nicht kleinkariert.

Wie klingt denn dann das Steigerlied bei Stoppok?

Das klingt sehr entspannt mit einem leichten Reggae-Touch. Ich habe versucht, das Lied in die heutige Zeit zu übertragen, ohne bloß einen pseudomodernen Stampf drunterzulegen. Das passiert ja oft, wenn man Volksmusik in die Moderne bringen will, aber kein Gefühl dazu hat. Dann wird irgendwas Elektronisches dazu gemischt und schon heißt es: Das ist modern.

Also lieber ein „Glückauf“ mit sanftem Groove.

Ich habe versucht, das Steigerlied über das Gefühl in die jetzige Zeit zu bringen. Das war schon eine Herausforderung. Sonst sind meine Lieder ja sehr von meiner Sprache und meinen ganz eigenen Texten geprägt. Beim Steigerlied versuche ich vor allem, über mein Gefühl und die eigene Vergangenheit Kontakt zu dem Thema herzustellen. Ich bin ja selber als Flüchtlingskind polnischer Eltern ins Ruhrgebiet gekommen und habe mich schwergetan, meinen Platz zu finden. Das Ruhrgebiet war ja immer auch ein beispielhafter Ort der Integration. Darum geht es damals wie heute.

Das Steigerlied hat sein Heimspiel im Ruhrgebiet. Wird Stoppok den Song auch anderswo singen?

Ich könnte mir vorstellen, dass meine Version mit der Band überall Gültigkeit haben kann. Wir werden das auf jeden Fall auch woanders ausprobieren. Aber jetzt spielen wir’s erst mal auf Zollverein und sehen, wie die Leute darauf reagieren

Worauf kann sich das Zollverein-Publikum sonst noch freuen?

Da unser Schlagzeuger Wally schon aus Umweltgründen nicht für ein, zwei Konzerte aus L.A. rüberkommen kann, spielen wir einzelne Gigs wie jetzt auf Zollverein eigentlich als Trio mit Sebel am Schlagzeug. Diesmal erscheinen wir aber trotzdem als Viererpack, mit Tess Wiley. Eine Texanerin, die musikalisch wunderbar zu mir und meinen Songs passt. Ein besonderer Spaß.

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Stoppok wurde in Hamburg geboren, ist aber in Essen aufgewachsen und hat sein Studio lange auf der Zeche Bonifacius gehabt. In den 1980ern zunächst als Straßenmusiker am Start, hat Stoppok im Verlauf seiner Karriere über 20 Alben, zwei DVDs, Film- und Theatermusiken herausgebracht. Zu seinen größten Hits gehören Songs wie „Dumpfbacke“ und „Tanz“. 2015 erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis in der Rubrik „Chanson/Lied/Musik“, 2016 den Weltmusikpreis „Ruth“.

Auf der Zeche Zollverein ist der Musiker häufiger zu Gast. Am Samstag, 24. März, 20.30 Uhr, kommt Stoppok mit Band, alten und neuen Songs und dem Steigerlied in Halle 5. Tickets (ab 38,85 €) an bekannten Vorverkaufsstellen und www.reservix.de