Essen-Kray/Rüttenscheid. . Nina Stegkemper hat den Cocker Spaniel aufgenommen, der mit fast 18 Jahren im Tierheim landete. Ihr Chef machte sie auf den Notfall aufmerksam.
„Frau Stegkemper, wäre der nichts für Sie?“, fragte Immobilienmakler Klaus Schwab seine Buchhalterin vor rund zwei Wochen nach der Zeitungslektüre – und änderte damit Benjis Leben. Der fast blinde und taube Cocker Spaniel war mit knapp 18 Jahren im Tierheim gelandet und galt schon wegen des hohen Alters als absoluter Notfall, wie auch in unserer Zeitung zu lesen war. Inzwischen lebt Benji bei Nina Stegkemper (41) in Kray und fährt morgens mit Frauchen zur Arbeit nach Rüttenscheid. Der Rüde ist jetzt Familienmitglied und Bürohund.
Ob zu Hause in Kray oder im Büro im Haumannviertel stehen nun gleich mehrere Schlafplätze bereit, die sich Benji mit seinem Hundekollegen Carlos teilt. Der Golden Retriever gehört seit fast 13 Jahren zur Familie bei Nina Stegkemper. Tierlieb aber ist sie schon viel länger, hatte früher Katzen, Wellensittiche und Kaninchen, kümmerte sich auf der Jugendfarm in Altenessen um Ziegen, Schafe sowie Pferde und fuhr in die Reiterferien.
Große Freude bei allen Tierheim-Mitarbeitern
Dass sich heute in ihrer Situation Beruf und Hunde vereinbaren lassen, das habe sich im Laufe der Jahre ergeben und sei ein großer Glücksfall, sagt Nina Stegkemper. Immerhin sei ihr Chef auch ein Tierfreund und dem Tierheim verbunden, aus dem auch die dreibeinige Katze Lucy stammte, die bis vor kurzem zum Büroteam zählte. Vom Chef ermuntert („Nachdem ich den Bericht gelesen hatte, ging Benji mir nicht mehr aus dem Kopf“) ging es also für die 41-Jährige mit Lebensgefährten, Tochter und Carlos an die Grillostraße. Nach einer kleinen Spazierrunde und kurzem Blickkontakt stand für die Familie fest: „Benji kommt mit.“ Mit ihnen freuten sich alle Tierheim-Mitarbeiter, die sich so sehr ein Zuhause für den Hundesenior gewünscht hatten.
Der Spaniel verließ das Heim samt sämtlicher Medikamente, die er für seine entzündeten Ohren und Augen braucht. All das schreckte Nina Stegkemper nicht ab, pflegte sie doch Carlos bereits im Vorjahr nach einer Operation. „Viel unterträglicher war der Gedanke, dass so ein alter Hund seine letzte Zeit im Tierheim verbringt“, sagt die Halterin, die Benji einfach so nimmt wie er ist und die schönen Momente genießt. Auf ihrem Büroschreibtisch stehen nun auch Augentropfen und Salben sowie die Liste mit Uhrzeiten, wann Benji seine Medizin braucht. Die lässt er sich geduldig verabreichen. Zudem wird er regelmäßig gebadet.
Mittagspause im Park nebenan
Im Büro liegt der Rüde in seinem Körbchen oder neben ihren Füßen, freut sich über Leckerchen. Er erkundet Schritt für Schritt das Büro und folgt Frauchen munter, während Carlos gern die Kollegen eine Etage tiefer besucht. „Die beiden tragen zur entspannten Atmosphäre am Arbeitsplatz bei“, freut sich die Buchhalterin, die ihre Mittagspause mit den Vierbeinern im Park gegenüber verbringt. An der Leine sei Benji richtig flott, orientiert sich an Gerüchen und erkennt möglicherweise noch Schatten.
Zuhause hat sie für den Cocker Spaniel den Tisch an der Couch umgestellt und eine zusätzliche Decke hingelegt. Denn Benji sucht immer öfter Kontakt. Er vergewissert sich schnuppernd, dass sie da ist und stupst mit dem Kopf an ihr Bein. Allein lassen will seine neue Familie ihn ohnehin nicht, auch nicht im anstehenden Urlaub: „Wir hatten die Reise im Frühjahr nach Texel bereits gebucht, nun kommen wir eben mit zwei Hunden.“ Am 12. April feiert Benji dann seinen 18. Geburtstag – gemeinsam mit Carlos, sagt Nina Stegkemper, die auf ein oder vielleicht sogar zwei Jahre mit Benji hofft.
>> DAS VERMITTLUNGS-PROJEKT DES TIERHEIMS
Der Cocker Spaniel Benji wurde im Tierheim in das Ü-9-Projekt aufgenommen (Katzen Ü 12). Um diese alten und oftmals kranken Tiere zu vermitteln, werden Pflegeverträge geschlossen. Damit bleibt das Tierheim Eigentümer und trägt anfallende Tierarztkosten. Für die Hunde und Katzen soll so die Chance auf ein neues Zuhause erhöht werden.
2017 wurden dank des Projektes allein 18 Hunde vermittelt. Derzeit warten neun Ü-9-Hunde, vom kleinen Dackel-Mischling bis zum Schäferhund. Weitere Infos: www.tierheim-essen.de