Essen. Auf der Suche nach Essens Kilometer-König ist uns Walter Kallenberg begegnet: Sein MG zeigt zwar Meilen an, umgerechnet sind’s aber 370 000 km.

Ein Missverständnis möchte Walter Kallenberg gleich ausräumen: „Das ist eigentlich kein Oldtimer, sondern ein Auto, mit dem ich alt geworden bin.“ Gemeint ist sein blaues Coupé von MG, Baujahr 1974, das er vor fast 40 Jahren ziemlich neu gekauft hat. Und mit dem er den Kilometer-Stand meines Polos locker überbieten kann.

330 767 km hat mein alter VW, Kallenbergs MG zeigt nur 230 000 an – aber Meilen. Multipliziert mit 1,61, kommt ergibt das gut 370 000 Kilometer. Der MG ist also weder klassischer Oldtimer noch purer Garagenwagen, der nur auf sporadische Ausfahrten wartet. „Wir machen immer Gewalttrips“, sagt Kallenberg. Im vergangenen Sommer etwa reiste er mit seiner Frau Brigitte nach Portugal, vier Wochen waren sie unterwegs: 6500 Kilometer.

Sein Vater sagte: „Nimm’ doch die Straßenbahn“

Als Kallenberg den MGB GT V8 – so die vollständige Bezeichnung für das Modell, das nur 2500 mal gebaut wurde – 1979 kaufte, hatte der kaum eine Handvoll Meilen zurückgelegt. Als Demonstrationsobjekt für die Presse hatte er meist dekorativ ‘rumgestanden, war 1977 erstmals zugelassen worden. Mit seinem neuen Besitzer sollte der MG dann Strecke machen. „Ich war immer sehr an Motorport interessiert“, erzählt der 72-Jährige, der viele Jahre im Automobilverkauf in Düsseldorf gearbeitet hat.

Gelernt hat Kallenberg Metzger, nach seiner Meisterprüfung 1970 machte er ein eigenes Geschäft auf. Doch die Auto-Leidenschaft war immer schon da. „Dabei hatten meine Eltern nie ein Auto. Als ich den Führerschein machen wollte, zeigte mein Vater auf die Haltestelle vor der Tür: ,Da ist die Straßenbahn.’“ Kallenberg junior beeindruckte das wenig: Auf der Kegelbahn verdiente er sich die Fahrstunden und das Geld fürs erste Auto, dem einige andere folgten.

Unter Spinnweben stand sein MG in der Garage

Auch sein blaues MG Coupé musste nach fünf Jahren Platz machen für einen anderen, wurde abgegeben. „Und wieder neun Jahre später hab’ ich ihn noch mal gekauft.“ Brigitte Kallenberg (59) erinnert sich noch, wie ihr Mann seinen alten Wagen in einer Annonce entdeckte und rief: „Ich muss den wiederhaben!“ Beim Zweitbesitzer hatte der MG Jahre in der Garage gestanden. „Als er das Tor öffnete, stand der Wagen da eingehüllt in Spinnweben wie im Märchen – es war viel zu tun“, sagt er. Sie spricht von einer „sleeping beauty“, einer schlafenden Schönheit.

Auch interessant

Brigitte Kallenberg ist mindestens so autoverrückt wie ihr Mann, kommt anders als er aus einer Familie, in der sich alles um Motoren drehte. „Andere Mädchen gingen zur Tanzschule, ich konnte eine Kopfdichtung austauschen – und fand das spannender.“ Sie schenkt ihrem Mann zu Weihnachten auch mal vier neue Räder für sein Coupé und teilt mit ihm die Begeisterung für die britische Automarke MG, von der sie noch zwei Modelle besitzen: einen grünen MG TF 1500 von 1954 und einen MG K1 Magnette von 1933: „Von der fahren weltweit noch acht, neun Stück.“

„Unsere Autos sind wie Familienmitglieder“

Drei Epochen MG stehen in der Garage in Dellwig, die zu Kallenbergs Elternhaus gehört (jenem mit der Straßenbahn vor der Tür). Das Ehepaar wohnt in Schönebeck, besitzt ein Auto für den Alltag. Meilen machen auch die Oldtimer, schon weil die Kallenbergs mit den Autos MG-Fans auf der ganzen Welt besuchen. Mit der Karl-Heinz getauften K1 sind sie durch England, Schottland, Wales gereist. Dabei ist der hochbetagte, offene Wagen sperrig zu fahren, bei Regen steht Wasser im Fußraum. „Wenn wir aussteigen, sehen wir aus wie Strauchdiebe“, sagt Brigitte Kallenberg.

Dagegen sei das blaue Coupé wasserdicht, bequem, habe Linkssteuerung und genug Platz für Gepäck. Es hat außerdem seinen zweiten Motor und nun sportliche 260 PS. Die Kallenbergs nennen ihn Bodo Ballermann. Was erstens auf seinen Sound anspielt – zweitens gehöre ein Name dazu: „Unsere Autos sind Familienmitglieder.“

>>> KILOMETER-KÖNIG: WER BIETET MEHR?

Der Polo von Christina Wandt hat 330 767 km auf dem Tacho. Wir fragen Sie, liebe Leserinnen und Leser: „Wer bietet mehr?“

Melden Sie sich per Mail: redaktion.essen@waz.de oder per Post: WAZ Lokalredaktion, Sachsenstr. 36, 45123 Essen. Stichwort: Kilometer-König.

Alle bisher erschienene Artikel unserer Serie finden Sie hier.