Essen. Nach dem erbittert ausgefochtenen Bürgerentscheid um den Umbau der Messe Essen folgte große Sachlichkeit. Messechef Kuhrt hat daran viel Anteil.
Es war der Höhepunkt einer langen, krisenhaften Entwicklung, als im Januar 2014 der Messe-Bürgerentscheid knapp verloren ging. Hätte der damals erst wenige Wochen amtierende Messe-Chef Oliver P. Kuhrt nicht sofort den Blick nach vorne gerichtet, die Messe Essen wäre vielleicht in eine existenzbedrohende Agonie verfallen.
Ein gutes Jahrzehnt war da bereits mit ergebnislosen, kraftraubenden Hakeleien um den notwendigen Um- und Neubau vergangen. Mehrere ungeschickt agierende Messe-Chefs, aber auch eine teils überkritische politische Öffentlichkeit mit den Grünen an der Spitze waren dafür verantwortlich.
Überraschend fanden alle zu Maß und Mitte zurück
Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt erwarten, dass ausgerechnet der erbittert ausgefochtene Bürgerentscheid eine Phase der Harmonie einläuten würde. Doch auch die Sieger, von denen einige nicht ohne heimliche Beunruhigung ihren Erfolg genossen, fanden überraschend schnell zu Maß und Mitte und konstruktiver Mitarbeit zurück.
Das bauliche Zwischenergebnis war gestern zu besichtigen. Mit dem neuen Messehaus Ost und seiner neuen Platz-Umgebung hat das städtische Ausstellungsunternehmen den bräunlich-dunklen Architektur-Mief der 1980er Jahre abgelegt und bietet jetzt ein zeitgemäßes Entree. Ein überfälliges Signal in die Stadt hinein wie auch nach außen zu Ausstellern und Veranstaltern von Großmessen, die schon kaum noch glauben mochten, dass sich in Essen doch noch etwas tun würde.
Bei der Kommunikation mit der Stadtgesellschaft hat die Messe lange Zeit alles falsch gemacht
Für den Erfolg brauchte es allerdings auch so etwas wie ein Wunder: Viele Jahre hat die Messe Essen bei der Kommunikation mit der Politik und der Stadtgesellschaft so gut wie alles falsch gemacht und damit das verheerende Image als „Krake“ und Feind des Grugaparks mitgeschaffen. Nach dem Amtsantritt von Kuhrt, der eine verbindliche Tonlage und Atmosphäre etablierte, ist dann genau umgekehrt so gut wie alles richtig gemacht worden.
Neben der Ansprache war selbstredend entscheidend, dass die harten Fakten stimmten und die Messe bislang auf den Punkt im Zeit- und Kostenplan blieb. Für einen so komplexen Umbau im Bestand, ist das eine reife Leistung. Diese wird noch erfreulicher, wenn man sich vor Augen führt, dass Baukosten bei Großprojekten der öffentlichen Hand ja häufig im Nachhinein explodieren. Die Beispiele sind bekannt. Da in Essen der größte und schwierigste Teil des Messe-Umbaus geschafft ist, sollte die Kostendisziplin nun auch bis zum Ende durchzuhalten sein.
Die Messe bringt Menschen, Internationalität und Umsatz in die Stadt
Für 88 Millionen Euro gibt es bis 2019 eine immerhin teilerneuerte Messe, die ihre Aufgabe wahrnehmen kann, Menschen, Internationalität und beachtlichen Umsatz in die Stadt zu bringen. Entgegen mancher Skepsis, ist die direkte Begegnung von Marktteilnehmern auch im digitalen Zeitalter wichtig, um Vertrauenskapital aufzubauen. Messen sind dafür die idealen Plattformen. In Essen muss zwar noch mehr getan werden, um neue Erfolgsformate zu schaffen, und auch der Zuschussbedarf durch die Stadt bleibt eine Daueraufgabe. Die Messe kaputtgehen zu lassen, wäre jedoch keine kluge Option gewesen.
Ende gut, alles gut also? Der 2014 abgelehnte große Umbau hätte rund 37 Millionen Euro mehr gekostet, dafür aber auch mehr bauliche Probleme gelöst und einige weitere Chancen vor allem im Kongresswesen eröffnet. Dies wurde vertan. Mit dem Vertrauen, das heute zwischen Stadt und Messe existiert, wäre es wohl nie zur Zuspitzung eines Bürgerentscheids gekommen. Aber alle Beteiligten haben aus einer verfahrenen Situation das Beste gemacht. Wenn es um so umstrittene Bauprojekte geht, ist das eine Menge.