Essen. Ein-Euro-Jobber fahren Senioren in Rikschas durch Essen. Das Projekt “Radeln ohne Alter“ ist beliebt, Abschlussjobs hat es aber nicht gegeben.

Es war das erste Projekt, das offiziell den Stempel der „Grünen Hauptstadt“ trug, und es hat in diesem Jahr erheblichen Rückenwind erfahren: Stark ausgeweitet hat sich die Initiative „Radeln ohne Alter“, bei der Langzeit-Arbeitslose die Bewohner von Essener Seniorenheimen auf Elektro-Rischkas durchs Stadtgebiet fahren. Die Maßnahme ist noch bis zum Frühjahr 2018 finanziell gesichert; und die Beteiligten sind optimistisch, dass es danach weitergeht.

Mit fünf Seniorenheimen fingen sie an, mittlerweile sind es schon 30: „Wir haben so viele Anfragen, dass wir keine Werbung mehr machen müssen – auch nicht in dieser Jahreszeit“, sagt Karsten Schwanekamp, der Projektleiter beim Beschäftigungsträger „Neue Arbeit der Diakonie“. Das Konzept: Ein-Euro-Jobber bringen Senioren mit Elektro-Rikschas zu einem Ort nach Wahl – getätigt werden ausdrücklich keine Einkaufsfahrten, sondern es geht allein um Ausflüge.

„Der Baldeneysee ist beliebtes Ziel, aber auch viele Sehenswürdigkeiten in den Stadtteilen“, sagt Schwanekamp. Oder, wie Rikscha-Fahrer Christian Fahnenstich (52) erzählt: „Wenn manche Senioren die Schauplätze ihrer Jugend sehen, erzählen sie einem das halbe Leben. Ich habe selten so viel Dankbarkeit erfahren.“ Fahnenstich ist gelernter Zerspanungsmechaniker, findet eigenen Angaben zufolge auf dem regulären Arbeitsmarkt derzeit keinen Job mehr.

Bislang hat keiner der Rikscha-Fahrer einen sozialversicherungspflichtigen Job erhalten

So gefragt und erfolgreich das Projekt auch ist – im Frühjahr 2017 bekam „Radeln ohne Alter“ den Deutschen Fahrradpreis – zur Wahrheit gehört auch, dass bislang noch keiner der Rikscha-Fahrer über diese Maßnahme einen neuen sozialversicherungspflichtigen Job erhalten hat.

Und das, obwohl auch das Job-Center einer der Beteiligten des Projektes ist. „Unsere Initiative dient sicher erst mal der Orientierung“, sagt Schwanekamp. „Sie hilft den Teilnehmern auch, überhaupt wieder einer regulären Beschäftigung nachzugehen.“ Gedacht ist eigentlich auch, dass die Teilnehmer durch den Kontakt zu Senioren sich womöglich auch dafür erwärmen können, in den Bereich Pflege und Senioren hineinzuschnuppern – dort, wo es derzeit massiv an Kräften fehlt.

„Es gibt Seniorenheime, die führen mittlerweile Wartelisten“

Sieben Rikschas sind derzeit in Betrieb, alle mit Elektro-Antrieb, sie sind in einer neuen Radstation in der Nähe des Altendorfer Niederfeldsees untergebracht. Von dort starten die rund 15 Fahrer zu ihren Touren. „Es gibt Seniorenheime, die führen mittlerweile Wartelisten, damit jeder Bewohner mal an die Reihe kommt“, berichtet Schwanekamp. Allein im Jahr 2017 seien bislang schon 836 Senioren durch die Stadt kutschiert worden.

„Radeln ohne Alter“ hat spätestens seit der Verleihung des Fahrradpreises auch landesweit für Interesse gesorgt: „Immer wieder kommen Schreiben von Beschäftigungsträgern oder Sozialverbänden aus ganz NRW, die das Projekt für sich nachahmen wollen“, berichtet Schwanekamp.

Kräftig mitgeholfen hat sicherlich auch ein Fernsehbeitrag über „Radeln ohne Alter“, der bundesweit in der ARD ausgestrahlt wurde. Und auch, wenn es mit der so genannten Anschlussbeschäftigung für die Rikscha-Fahrer noch nicht so richtig hinhaut: Fit bleiben die Teilnehmer auf jeden Fall.