Essen. Ein neues Buch zeigt die ganze Vielfalt an Stadtplätzen, die Essen bis heute auszeichnet, aber auch, was an Schönem verlorenging – oft ohne Not.
Es ist schön, dass Essen viele Plätze hat, denn eine Stadt ohne Plätze ist ein trauriger Ort. Plätze sind andererseits kein Selbstzweck, ohne ästhetische Qualität machen sie oft mehr kaputt als Nutzen zu stiften. Für totsanierte, vernachlässigte, verbaute Plätze voller mäßiger Möblierung gibt es in Essen etliche Beispiele, aber zweifellos gibt es auch das Gegenteil: gelungene Orte, an denen man sich als Bürger gerne aufhält. Licht und Schatten der Essener Stadtplätze sind Thema eines neuen, nunmehr dritten Buches, mit dem ein Autorenteam dieArchitektur in Essenebenso kritisch wie sachlich würdigt.
Zu bestaunen ist dabei erneut, mit welcher Stilsicherheit in vergangenen Epochen Plätze gestaltet wurden. Und das vielleicht gerade deshalb, weil es damals in den Kommunen deutlich weniger stadtplanerisches Palaver gab, sondern der jeweilige Stadtbaumeister einfach guten Geschmack besaß, sich an klassischen Vorbildern orientierte und bei der Funktionalität gesunden Menschenverstand walten ließ.
Bei der Besichtigung des umfangreichen historischen Bildmaterials über Essener Plätze „haben wir wieder einmal erkannt, wieviel Herausragendes im Laufe der Zeit untergegangen ist“, schreibt der Architekt Peter Brdenk, der die Buch-Reihe gemeinsam mit TuP-Geschäftsführer Berger Bergmann herausgibt, in seinem Vorwort. So ist es, leider. Nicht nur, dass manches spurlos verschwand, wie der auf dieser Zeitungsseite dokumentierte Alfrediplatz. Es gibt auch drastische Fälle von Plätzen, die in ihrer Ausdehnung erhalten blieben, jedoch völlig verhunzt wurden.
Der Moltkeplatz als abschreckendes Beispiel
Ein Beispiel ist der Moltkeplatz, der einst gedacht war als zentrale, große offene Grünfläche eines Reformbauviertels, heute aber ein Sammelsurium verschiedener Nutzungen ist, die irgendwie hineingepresst wurden: Autostellplatz, Spielplatz, Bolzplatz, Kunst- und Hundeplatz, alles ziemlich ungepflegt und seltsam wuchernd. So hatte es sich Stadtbaumeister Robert Schmidt wohl kaum vorgestellt.
Verschlimmbesserungen, die der gutgemeinten Philosophie „Ein Platz für alle“ gehorchen, finden sich leider etliche in diesem Buch, das akribisch so gut wie alle wichtigen Plätze in der Stadtmitte und in den Stadtteilen aufzählt und mit Vergleichsbildern die jeweilige Entwicklung aufzeigt. Schon deshalb ist es ein verdienstvolles Werk.
Und sicher, es gibt auch Beispiele, wo man sagen kann: Alles richtig gemacht, Stadt Essen! Der Salzmarkt in der Innenstadt war mal ein schmuckloser Stellplatz und hat heute dank der Bäume, der Kunst und der Gastronomien eine angenehme Aufenthaltsqualität. Andererseits stellt Brdenk klar: Ein Platz ist nicht automatisch dann gut, wenn er möglichst üppig begrünt ist, wie viele glauben.
Der Burgplatz etwa hat wieder gewonnen, nachdem das postmoderne Betonschalen-Gerümpel mitsamt der schütteren Bepflanzung abgeräumt und die klassische Linie weitgehend zurückgeholt wurde. Manche Plätze wie eben der Burgplatz müssen gar nicht aus sich heraus wirken, sie sollen dienen: nämlich der umliegenden Bebauung, die hier an drei Seiten von hervorragender Qualität ist.
>>>>>>>>>Der Journalist Holger Krüssmann hat das Buch gemeinsam mit den Herausgebern Berger Bergmann und Peter Brdenk geschrieben, die Fotoarbeit leistete Wolfgang Kleber. Entstanden ist so ein Kompendium der Essener Plätze; das Buch bietet ferner einen historischen Abriss über die Funktion des Stadt-Platzes von der Antike bis in die Gegenwart. Das Buch hat 195 Seiten, ist – wie die beiden Bände „Architektur in Essen“ – bei Klartext erschienen und kostet 17,95 Euro.