Essen-Kettwig. . In Kettwig haben Anwohner eine Interessengemeinschaft gegründet, um den Glasfaser-Ausbau voranzubringen. Das sagt Essens Breitband-Koordinator.

Wenn Tilo Stadtkowitz bei einer Videokonferenz mit seinen Kunden diskutiert, läuft das selten störungsfrei ab. „Kommen zum Beispiel meine Kinder nach Hause und deren Handys locken sich in unser WLan ein, ist das System platt“, sagt der Unternehmensberater. Adem Kilic, Werkstudent im väterlichen Architekturbüro, weicht für Daten-Übertragungen auf die Uni aus, „denn im Büro benötigt das Hochladen mehrere Stunden“.

Auch Jan Kohlmann und Martin Polak, die für ihre Unternehmen vieles vom Home-Office aus erledigen, verzweifeln an den Minimalgeschwindigkeiten im Internet, die in Laupendahl Alltag sind. „Die aktuellen Übertragungsraten betragen im Maximum sechs Mbit/s, manchmal auch nur zwei Mbit/s. Wir als Nachbarn der Klinik und Anwohner in der Charlottenhofstraße, Laupendahler Höhe, Auf der Rötsch und Am Hausberg haben daher großes Interesse an einer Breitbandanbindung über Glasfaser“, schreiben Kohlmann und Polak für die Interessengemeinschaft Laupendahler Siedlung im März an den Breitband-Koordinator der Stadt Essen, Uwe Breder. Beigefügt sind Unterschriftenlisten. 282 Haushalte gibt es im Gebiet, „98 Prozent haben unterzeichnet“, sagt Jan Kohlmann.

Martin Polak wohnt im Grünen, schnelles Internet gehört aber auch hier für ihn zur Lebensqualität dazu. 
Martin Polak wohnt im Grünen, schnelles Internet gehört aber auch hier für ihn zur Lebensqualität dazu.  © PT

„Die Datenautobahn gehört zur Infrastruktur“

Der Leidensdruck ist groß, denn in Laupendahl ist man gefühlt meilenweit von der Giga-Bit-Gesellschaft entfernt. „Dabei müsste schnelles Internet, die Ausstattung mit Glasfaser genauso selbstverständlich sein wie Strom und Wasser. Die Datenautobahn gehört zur Infrastruktur“, sagt Stadtkowitz, der mit dem Netzbetreiber Telekom im Übrigen keine guten Erfahrungen gemacht hat.

„Der Hybrid-Anschluss, bei dem DSL und Mobilfunk/LTE kombiniert werden, funktioniert nicht. Dabei habe ich extra noch in eine Antenne investiert. Am besten ist Glasfaser bis ins Haus. Weniger gut finde ich Vectoring, weil das Kupfer wiederum die Geschwindigkeit drosselt.“

100 Mbit/s in der Nachbarstadt

Der Blick ins wenige hundert Meter entfernte Heiligenhaus macht neidisch. Dort hat NetCologne im Sommer das Surfen mit bis zu 100 Mbit/s möglich gemacht. „Nur die Stadt Essen ist nicht Vertragspartner, deshalb kann man da nicht mal eben die Leitungen weiterführen“, weiß Jan Kohlmann. Auch die Verlegung des Glasfaserkabels durch 1&1-Versatel über die Charlottenhofstraße zur Rhein-Ruhr-Klinik ist nicht nutzbar – weil ein Pilotprojekt im gewerblichen Bereich.

Hoffnungen setzen Martin Polak, Jan Kohlmann und die anderen Betroffenen nun auf die Förderung des Breitbandausbaus, die im August aus Berlin zugesagt wurde. Auf 18 Millionen Euro, so Breitbandkoordinator Uwe Breder, belaufe sich der vorläufige Bescheid. Das Ausschreibungsverfahren für die Telekommunikationsunternehmen sei in seiner ersten Stufe beendet, teilt er mit.

Europaweites Vergabeverfahren

Bis Mitte November erwarte die Stadt jetzt die entsprechenden Angebote. Wer die 1300 km Glasfaserkabel verlegen wird, entscheide sich im Spätherbst. Es handele sich aufgrund des Investitionsumfangs um ein europaweites Vergabeverfahren, so dass neben Telekom und Unitymedia auch andere Anbieter auftreten können. Auf dem Markt sind u.a. Deutsche Glasfaser, Vodafone und Versatel aktiv.

Breder: „Breitband-Bedarf besteht für 1300 Firmenstandorte und über 10 000 Privathaushalte. Das Stadtgebiet von Essen ist wie ein Streuselkuchen, nicht nur im Süden gibt es Löcher.“ Wann das Hochgeschwindigkeits-Internet in Kettwigs entlegene Ecken kommt, ist also noch nicht genau absehbar. „Bis Ende 2018 sollen die bis zu 50 Mbit/s für Privathaushalte realisiert sein“, sagt Breder. Er weiß aber: „Das ist ein sportliches Ziel.“

>> 18 Millionen Euro Förderung vom Bund

Bis Ende 2018 sollen alle Essener Haushalte mit schnellem Internet (bis zu 50 Mbit/s für Private, bis zu 1000 Mbit/s für Firmen) versorgt sein. Der Bund gibt dazu 18 Millionen Euro. Der Ausbau ist für jene Gebiete, die sich für ein Telekommunikationsunternehmen nicht lohnen. Damit wird die Wirtschaftlichkeitslücke finanziert.