Essen. . Die Liebe traf sie wie ein Blitz, trotzdem musste sich die Beziehung erst entwickeln. Im Herbst will das lesbische Paar aus Essen heiraten.

Eine schicke Wohnung im Essener Süden: blankpolierte Parkettböden, zeitlose Designer-Möbel, ein paar Kunstgegenstände und auf dem Sims die üblichen Familienfotos im Silberrahmen – Kinder, Enkelkinder und natürlich das Paar, das hier wohnt, sind dort verewigt.

Das besteht nicht aus Mann und Frau, sondern aus Frau und Frau: Bettina Waffner und Claudia Fockenberg führen seit acht Jahren eine Liebesbeziehung, leben seit fünf Jahren zusammen und werden in diesem Herbst standesamtlich heiraten.

„Die Liebe traf mich wie ein Blitz“

„Ich weiß noch genau, wie das war, als ich Bettina zum ersten Mal gesehen habe – und die Liebe mich wie ein Blitz traf“, erzählt Claudia Fockenberg und schenkt ihrer Partnerin ein strahlendes Lächeln. Schon damals wusste sie: Das ist meine Frau. Auch Bettina Waffner war fasziniert von der selbstbewussten Claudia, „aber ich selbst hatte gerade erst mein Coming Out und war emotional noch ziemlich verwirrt“. Trotzdem ließ sie sich auf eine Verabredung ein, und die Liebesgeschichte nahm ihren Lauf.

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So selbstverständlich wie das heute, im 21. Jahrhundert, auch klingen mag: Der Weg, der hinter der 50-jährigen Bettina Waffner und ihrer 60-jährigen Lebenspartnerin liegt, war alles andere als einfach.

Beide haben erwachsene Kinder

Beide waren zunächst mit einem Mann verheiratet, beide haben aus dieser Beziehung inzwischen erwachsene Kinder. Claudia Fockenberg ist sogar schon Großmutter. Eine lesbische Oma, die nach vielen Jahren des Versteckens endlich zu ihrer Homosexualität stehen kann.

„Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der Lesbe ein Schimpfwort war, als man verklemmt mit dem Thema Sexualität umgegangen ist“, sagt sie, „das hat mich sehr geprägt“. Was dazu führte, dass sie mit ihrer ersten Frauenliebe zwar zusammenlebte, aber die Beziehung in der Öffentlichkeit als reine Wohngemeinschaft wahrgenommen werden sollte.

Knall auf Fall in eine Frau verliebt

Erst als sie begann, sich im Verein „Frauenliebe im Pott“ zu engagieren, wuchs ihr Selbstvertrauen. „Die Frauenliebe war zunächst wie ein Schutzraum für mich: Hier hatte ich die Möglichkeit mich auszutauschen und mit Gleichgesinnten zusammen zu sein.“

Beim Verein begegnete sie auch Bettina Waffner. Die brachte ihre eigene, wechselvolle Geschichte mit: „Ich lebte mit Mann und Kindern gefühlt in einer relativ stabilen Beziehung, als ich mich Knall auf Fall in eine Frau verliebte“, erzählt die promovierte Politikwissenschaftlerin.

Wie eine zweite Pubertät

Ein Erlebnis, das ihr bisheriges Leben auf den Kopf stellte. „Ich ließ es zu. Das war der einzig plausible Schritt.“ Schon kurze Zeit später folgte die Trennung vom Mann, „und ich erlebte so was wie die zweite Pubertät. Ich musste erst einmal meine sexuelle Identität neu definieren und damit klarkommen. Aber dabei war ich auch total euphorisch.“ Was sind das eigentlich: Lesben? – dieser Frage ging sie neugierig nach.

Denn anders als ihre zehn Jahr ältere Partnerin hatte sie keine von der Gesellschaft aufgezwungenen Schranken im Kopf: Überhaupt ist Bettina Waffner die temperamentvollere und offensivere von beiden. Küssen auf der Rolltreppe, händchenhaltend durch die Stadt laufen – Bettina Waffner zeigt ihre Liebe ohne Scheu.

„Du bist viel unbefangener als ich, das mag ich sehr an dir“, macht Claudia Fockenberg ihrer Zukünftigen ein Kompliment.

Die Liebe begann langsam

Die Liebesgeschichte der beiden Frauen begann trotz „Blitzschlag“ beim ersten Sehen zunächst eher verhalten. „Anfänglich haben wir uns nur am Wochenende gesehen“, erzählt Claudia Fockenberg. Nähe und Distanz – so würde sie heute die ersten Jahre beschreiben.

„Wir haben viel über Gott und die Welt und uns diskutiert, tun das immer noch.“ Die Eigenständigkeit der anderen zu akzeptieren, das war ihnen ganz wichtig. Über eine gemeinsame Zukunft wollten sie dabei erst einmal nicht nachdenken. Doch je länger und tiefer die Beziehung wurde, desto mehr rückte das „Wir“ in ihr Bewusstsein.

Kein Schlusspunkt

Und nun sagen sie im Kreise ihrer Kinder, Enkelkinder und Freunde „Ja“ zueinander. Die Hochzeit wird kein Schlusspunkt in ihrer Beziehungsgeschichte sein, sondern einer von vielen Höhepunkten. Dass davon noch einige kommen, das steht für Claudia Fockenberg und Bettina Waffner außer Frage.