Essen. . Zu Jürgen Ehle kommen Paare, die in ihrer Beziehung nicht mehr weiter wissen. Der Essener Therapeut hört zu, moderiert und gibt Impulse.

Der Arbeitsplatz von Jürgen Ehle ist eher nüchtern: Ein Schreibtisch in der einen Ecke, in der anderen drei bequeme Stühle um einen niedrigen Tisch. Statt irgendwelcher Deko steht dort lediglich eine große Kleenex-Box mit Einmaltaschentüchern.

Taschentücher werden oft gebraucht

Die werden oft gebraucht: Denn zu Jürgen Ehle, Therapeut bei der Paar-, Lebens- und Erziehungsberatung Impulse, kommen Paare, die in einer Krise stecken und Hilfe brauchen.

„Schon den Weg zu mir zu finden, ist der erste Schritt zum Erfolg“, sagt der ausgebildete Familientherapeut. Meist geht die Initiative von einem Partner aus, der andere zieht mehr oder minder freiwillig mit.

Es wird geweint und gestritten

Sitzt das Paar dann dem besonnen wirkenden Jürgen Ehle gegenüber, brechen oft ganz schnell alle Dämme, wird geweint und gestritten. Dann heißt es für den 61-Jährigen: gut zuhören und dafür sorgen, dass beide zu Wort kommen.

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Die Gründe für die Konflikte sind so individuell wie die Menschen, die in die Beratungsstelle kommen. Doch ein Thema kehrt immer wieder. Das formuliert Ehle so: „Wie komme ich mit meinem Entsetzen über die Fremdheit des anderen klar?“

Nach der ersten Verliebtheit kommen Veränderungen

Denn nach der ersten großen Verliebtheit passieren im späteren Alltag viele Veränderungen: Kinder und Beruf prägen das Leben, und plötzlich merkt man, dass man den anderen nicht mehr so versteht. „Besser gesagt: Er entspricht nicht mehr dem Bild, das ich mir von ihm gemacht habe“, so Ehle.

Fast jeder wünsche sich in einer Beziehung eine nahezu hundertprozentige Übereinstimmung, manche seien regelrecht fixiert darauf. „Umso schwerer ist es, zu akzeptieren, und sich letztendlich damit zu versöhnen, dass der Partner anders ist und dass ich nicht alles von ihm bekomme.“

Die Nachfrage ist hoch, die Warteliste lang

Was oft folgt, sind endlose Auseinandersetzungen, Enttäuschungen und schließlich Resignation. Diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist Ehles Aufgabe. Dafür hat er in der Regel nicht mehr als zehn Therapiestunden Zeit. Denn die Nachfrage ist hoch, die Warteliste beim Verein Impulse lang.

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Seine therapeutischen Vorschläge lesen sich einfach: Nach jeder Sitzung bekommen die Paare eine Anregung mit. Die kann lauten: Den Partner bewusster wahrnehmen. Zum Beispiel sich bei der Begrüßung oder Verabschiedung in die Augen schauen und in den Arm nehmen. Ein weiterer Ratschlag heißt: Die Leistung des anderen wertschätzen und das auch zum Ausdruck bringen.

Einfache Dinge können für gute Partnerschaft sorgen

„Auch wenn das simpel klingt: Aber einfach mal positiv bemerken, wenn der Partner geputzt, lecker gekocht oder die Spülmaschine ausgeräumt hat.“ Im Grunde genommen bestehe das Zusammenleben sowieso nur aus Banalitäten. Und so können auch ganz einfache Dinge für eine gute Partnerschaft sorgen.

Selten finden junge Paare den Weg zu Impulse, dafür nimmt die Zahl der älteren zu. Oft haben diese Paare jahrelang ihr Familienleben gut gemanagt. Doch dann sind die Kinder aus dem Haus und plötzlich tritt die Partnerschaft in den Vordergrund.

„Da kann es schon passieren, dass man keine gemeinsamen Ziele mehr findet. Oder nicht mehr weiß, was man mit seiner verbleibenden Zeit machen möchte. Und ob man diese Zeit überhaupt noch mit dem Partner an seiner Seite verbringen will.“

Gemeinsam mit dem Paar Konflikte benennen

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Auch hier fungiert Jürgen Ehle als Moderator, der es im besten Fall schafft, gemeinsam mit dem Paar die Konflikte auf den Punkt zu bringen. Haben sie erstmal einen Namen, könne man viel besser damit umgehen. „Das ist in meinem Beruf immer wieder ein tolles Erlebnis, wenn Paare auf einmal verstehen, was warum falsch läuft.“

Nicht immer gelingt es ihm, eine bröckelnde Beziehung zu retten. „Ich muss akzeptieren, dass sich mir die Lebenswirklichkeit der Paare nicht total erschließt.“

Das Wort „Liebe“ benutzt Ehle selten

Schwierig wird es, wenn ein anderer Mensch in das Leben eines Paares tritt, sprich, wenn sich einer neu verliebt oder fremdgeht. „Das ist ein erheblicher Vertrauensbruch für die Partnerschaft.“ Manchmal muss er erleben, wie einer der beiden um die Liebe ringt, während der andere gefühlsmäßig schon längst weg ist. „Das berührt mich dann schon.“

Das Wort Liebe benutzt Jürgen Ehle übrigens eher selten: „Das ist für uns Therapeuten ein Begriff, den wir nicht klar definieren können. Wir reden lieber über Verbundenheit, Vertrauen, Verständnis, Akzeptanz und Toleranz.“