Essen. Viele Gefühle und kaum kritische Fragen: Man kann den Bergbau feiern, aber der Film „Der lange Abschied von der Kohle“ übertreibt es.

Das Ruhrgebiet mit all seinen Mythen ist eine sentimentale Veranstaltung. Und wenn es um Bergleute geht, wird gern noch eine Schüppe draufgelegt. In Maßen ist das gut zu ertragen, und wenn Schmelz und Zuckerguss klug eingesetzt werden, kann das bewegend sein. Der emotionale Overkill aber, den der Film „Der lange Abschied von der Kohle“ über 100 Minuten ausbreitete, war schlicht zuviel.

„Ich kann das Wort Zusammenhalt nicht mehr hören“, meinte eine Zuschauerin, die wie etliche andere nach Filmende rasch hinaus eilte. Natürlich, es gab und gibt dieses besondere Füreinander der Bergleute, und gerade in jenen fernen Zeiten, als Bergbau hochgefährlich war, konnte davon das Leben abhängen. Die Schilderungen eines sehr alten Kumpels, der im Laufe seines Arbeitslebens neun Kollegen tödlich verunglücken sah, gehörten in diesem Zusammenhang zu den stärksten Szenen.

Schon nach einer Dreiviertelstunde war der emotionale Haushalt randvoll

Aber muss man deshalb immer wieder die selben Gemütsäußerungen beschwören und herunterbeten, wie unvergleichlich schöner es früher doch war? Redundanzen wie diese haben dem Film nicht gut getan. Nach einer Dreiviertelstunde war der emotionale Haushalt bereits randvoll. Der lange Rest verursachte einen schweren Kopf, wie nach Genuss von zu viel süßlichem Wein, und die pathos-triefende Musik trug das ihre dazu bei.

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Auch unter journalistischen Gesichtspunkten, falls diese eine Rolle gespielt haben sollten, ist der Film fragwürdig. Wer zehn, zwanzig Minuten lang von unterschiedlichen Akteuren immer nur hört, wie berechtigt, ja eigentlich selbstverständlich die jahrzehntelangen Subventionen waren, hätte gern einmal, nur ein einziges Mal so etwas wie ein Gegenargument vernommen.

Ob die Subventionen dem Ruhrgebiet in jeder Hinsicht gut taten, ist eine Frage, die nicht gestellt wird.

Nichts. Vor dieser Hacke blieb es duster. Die Wahrheiten der RAG und der IGBCE mussten genügen, und ansonsten ist halt Undank der Welten Lohn. Dass der Ruhrbergbau manchen Bayern vor dem Erfrieren gerettet hat, trifft ja zu, wirkt aber 60, 70 Jahre später langsam doch etwas schal.

Branchen wie die Textilindustrie starben still, für den Bergbau zahlte ganz Deutschland. Zweifellos gab es dafür Gründe – politische, soziale, jedoch auch solche, die etwas mit dem Einrichten im Altbewährten zu tun haben. Ein Film mit diesem Anspruch muss dazu zumindest kritische Fragen stellen; und könnte auch ein wenig analysieren, ob die Subventionen dem Ruhrgebiet in jeder Hinsicht gut taten oder nicht hie und da auch eine passive Man-nehme-Mentalität förderten.

Am Ende sangen WDR-Leute und Bergleute, ganz ergriffen voneinander, auf der Lichtburg-Bühne gemeinsam das Steiger-Lied. Früher hieß es, die Menschen im Revier seien pragmatisch, nüchtern und wenn nötig auch mal hart gegen sich und andere. Dieses Ruhrgebiet gibt es so nicht mehr, es ist in einem Meer von Sentimentalität untergegangen. Für das Jahr 2018, dem endgültigen Ende der Kohle-Ära, verheißt das nicht nur Gutes.