Essen. Gesichter, Geschichten und Erinnerungen aus dem Bergbau: Kino-Premiere für Werner Kubnys Dokumentarfilm „Der lange Abschied von der Kohle“.
Werner Kubny ist Filmemacher und gebürtiger Sauerländer, in dieser Woche wurde er auch zum echten Kumpel ernannt. Für die Menschen, die Jahrzehnte ihres Lebens unter Tage gearbeitet haben, ist das ein Ehrentitel.
Wie viel Berufsethos im Bergbau steckt, davon erzählt auch Kubnys Dokumentarfilm „Der lange Abschied von der Kohle“, der am Dienstagabend vor großem Publikum, darunter hunderte von ehemaligen und noch aktiven Kumpeln, in der Lichtburg Premiere feierte. Der Film soll ein Schlusspunkt sein, aber auch ein historisches Zeugnis, das die fast 200-jährige Bergbau-Tradition im Ruhrgebiet für die Nachwelt festhalten will – vom Höhepunkt der Kohleförderung 1956 und der Gründung der Montanunion, von den Zechenschließungen und Massenstreiks bis zum endgültigen Aus. Bleibende Bilder einer einst extrem archaischen, heute hoch technisierten, aber immer noch Mythen-umwobenen Arbeitswelt, die Ende 2018 endgültig Geschichte ist. Wenn mit Prosper Haniel in Bottrop und Anthrazit Ibbenbüren die letzten Zechen schließen, ist der Bergbau Vergangenheit.
Vor diesem Termin noch einmal Bilder einzufangen, Gespräche zu führen, Erinnerungen wachzurufen und mit Archivmaterial zu kombinieren, das war Kubny und dem WDR ein Anliegen. Erstmals wurde unter Tage auch mit HD-Kamera gedreht. Harte Arbeit und modernste Technik. Die Ruhrkohle AG hat dem Team dazu Türen und Möglichkeiten eröffnet, die ein möglichst umfassendes Bild zwischen Vergangenheit und Zukunft ergeben sollen. RAG-Stiftungschef Werner Müller spricht über teure Ewigkeitsaufgaben wie die Grubenwasserhaltung, RAG-Vorstandschef Bernd Tönjes bilanziert Höhen und vor allem Tiefen der Bergbaugeschichte über die Jahrzehnte. Ruhr-Museum-Chef Theo Grütter erklärt den besonderen Nimbus der Kumpel („harte Arbeit, guter Lohn“). Die Liste der Gesprächspartner ist lang, reicht von DJ Phil Fuldner bis zu Moderator Werner Hansch, für den Schalke 04 und der Bergbau untrennbar verbunden sind. Drei Jahre Vorlaufzeit und 48 Drehtage stehen für den Anspruch, die „Essenz der Bergbauwelt“ einzufangen, sagt Kubny, auch wenn die Betonung von Freundschaft und Zusammenhalt für manchen an diesem Abend doch etwas Überhand nimmt.
Film geht auf Kino-Tour
„Der lange Abschied der Kohle“ macht in den kommenden Wochen eine ausgiebige Tour durch die Kinos des Ruhrgebiets. Die nächste Vorstellung im Astra-Kino am 1. Oktober beginnt um 12 Uhr. Weitere Vorstellungen: u. a. im Filmforum Duisburg, Schauburg Gelsenkirchen und Casablanca Bochum.
Der Film läuft voraussichtlich Anfang 2018 im WDR Fernsehen.
Im großen Bilderbogen kreist die Kamera dazu über den Stätten der Arbeit und der Erinnerung. Von der Zeche Ewald, die seit acht Jahren den Revue-Palast mit seinen Travestie-Künstlern beheimatet, über das Bergwerk Fürst Leopold, heute ein Kreativquartier. Und immer wieder die Zeche Auguste Victoria, wo Bernd Blosze 33 Jahre seines Bergmann-Lebens verbracht hat. Jetzt ist er ein Gesicht der Bergbaugeschichte „und da bin ich auch stolz drauf“, sagt der Mann aus Marl. Karsten Jahn kann da nur zustimmen. „Mein ganzes Berufsleben ist noch mal an mir vorbeigezogen“, sagt Jahn. Nach dem Schlussapplaus hat er für einen Moment nur noch „Gänsehaut und Glück“ verspürt. Die endgültige Trauer kommt Ende 2018.