Essen. . Zwei Studien zeigen: Die Essener zahlen sehr viel für die Entwässerung. Der Bund der Steuerzahler glaubt, dafür eine Erklärung zu haben.
- Bei einem Gebührenvergleich der 100 größten deutsche Städte ist Essen eine der teuersten
- Auch bei der Studie des Steuerzahlerbundes liegt Essen über dem Landesschnitt
- Steuerzahlerbund kritisiert die Organisation der Abwasserentsorgung in der Stadt
Einmal die Toilettenspülung betätigen ist in Essen deutlich teurer als in anderen Städten: Bei den Abwasser-Gebühren müssen die Essener nämlich vergleichsweise tief in die Tasche greifen. Das belegen zwei aktuelle Studien. Der Eigentümerverband Haus&Grund hat vom Institut der Deutschen Wirtschaft die Gebühren in den 100 größten deutschen Städten untersuchen lassen. Essen landete dabei auf dem 87. Platz. Das heißt: In 86 Städten zahlen die Bürger weniger für ihr Abwasser.
Ein Musterhaushalt mit vier Personen gibt in der günstigsten Stadt Ludwigsburg 420 Euro im Jahr weniger aus als in Essen, wo es 680 Euro sind. Aber auch Ruhrgebietsstädte wie Bochum (Platz 63), Gelsenkirchen (57) oder Duisburg (64) sind bis zu 160 Euro im Jahr günstiger. Vor neun Jahren hatte das Wirtschaftsinstitut die Gebühren schon einmal untersucht. Damals landete Essen noch auf dem 73. Rang.
Im Ergebnis deckt sich das mit dem Vergleich, den der Bund der Steuerzahler vor einigen Tagen für alle NRW-Kommunen vorgelegt hat. Auch dort liegt Essen über dem Landesschnitt, wie Gebührenexperte Harald Schledorn betont. Erst zum 1. Januar 2017 hatte die Stadt die Abwassergebühren um fast fünf Prozent angehoben. Damals nannte die Stadt zwei Hauptgründe dafür: Zum einen würden die hohen Investitionen der Stadtwerke ins Kanalnetz zu Buche schlagen. Zum anderen zahlen die Essener anteilig per Umlage mehr für die milliardenteure Renaturierung der Emscher.
Hohe Investitionen treiben Kosten
Zumindest das Investitionsargument „lassen wir so nicht gelten“, betonte Schledorn. Schließlich hätten die Bürger die Investitionen in der Vergangenheit bereits über die kalkulatorischen Kosten „vorausbezahlt“.
Dirk Pomplun, Sprecher der Stadtwerke, indes unterstreicht, dass die Stadtwerke derzeit überdurchschnittlich viel ins Kanalnetz investieren. Das seien Summen, die vor Jahren so nicht voraussehbar waren und somit auch nicht kalkuliert werden konnten. Gesetzliche Auflagen hätten sich verändert und es würden in Essen durch die rege Bautätigkeit immer mehr Flächen versiegelt. All das führe zu höheren Investitionen.
Schledorn indes glaubt, dass die Essener u.a. nun den Preis dafür zahlen, dass die Stadt die Abwasserentsorgung vor 20 Jahren privatisiert und in die Hände der Stadtwerke-Tochter Essener Entwässerungs GmbH gelegt hat. Diese Organisationsform verursache Kosten zu Lasten des Gebührenzahlers, meint Schledorn. So fallen beispielsweise Umsatz- und Gewerbesteuer an. Auch bei der Kalkulation könne eine GmbH einen unternehmerischen Wagniszuschlag geltend machen.
Diese Kritik des Steuerzahlerbundes ist nicht neu. Das private Konstrukt aufzugeben, dazu gibt es aber bis heute keine Anstrengungen in der Essener Politik. Schledorn vermutet, dass die damit für den Gebührenzahler verbundene Intransparenz möglicherweise sogar gewollt ist. Denn Fakt ist auch: Die Stadtwerke verdienen gut mit ihrer Entwässerungsaufgabe. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten sie einen Gewinn vor Steuern von 27,5 Millionen Euro. Davon steuerte etwa die Hälfte das Abwassergeschäft bei.
Forderung des Steuerzahlerbundes: Rücklagen bilden
Dieser Gewinn wiederum fließt über die städtische Holding EVV der defizitären Evag zu und der kommunale Haushalt wird so entlastet. Schledorn würde es jedoch lieber sehen, wenn das Land den Gemeinden untersagen würde, Geld aus den Gebührengeschäften in ihre Haushalte direkt oder indirekt zu transferieren. Vielmehr sollten die Gewinne in die Rücklagen für Investitionen fließen.