Essen. Für Nebenkosten müssen die Essener immer tiefer in die Tasche greifen. Nach einer aktuellen Untersuchung des Steuerzahlerbundes sind vor allem die Abwassergebühren 2012 vergleichsweise deutlich gestiegen. Die Steuerexperten fordern die Stadt zum Handeln auf.
Harald Schledorn ist überrascht. „Das ist ganz schön happig für eine kreisfreie Stadt“, sagt der Gebührenexperte des Bundes der Steuerzahler in NRW, mit Blick auf die aktuellen Abwassergebühren der Stadt Essen.
Schledorn hat die aktuellen Zahlen aller 396 Kommunen im Land aufgelistet und daraus ein Ranking erstellt. Demnach muss ein Vier-Personen-Durchschnittshaushalt in Essen dieses Jahr 733 Euro an Abwassergebühren zahlen. Das sind nach Berechnung des Steuerzahlerbundes rund zehn Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Landesweit beträgt der Durchschnitt 691,74 Euro - was ein Plus von einem Prozent bedeutet. Essen liegt also sowohl bei der Gebührenhöhe als auch bei der Steigerung weit über Landesschnitt.
Auch im Vergleich der kreisfreien Städte landet Essen in der Spitzengruppe - auf Platz 5 hinter Krefeld, Mönchengladbach, Wuppertal und Bielefeld. Selbst die Nachbarstädte haben teils deutlich niedrigere Abwassergebühren ( siehe Kasten).
Stadtkämmerer Lars Martin Klieve nennt mehrere Gründe, warum die Stadt 2012 erneut an der Gebührenschraube gedreht hat: Erstens bezahlen die Essener den milliardenschweren Emscher-Umbau. Die Zahlung an die Emschergenossenschaft stieg um 1,2 Millionen Euro (plus 5 Prozent). Zweitens sinken die Überschüsse, die die Stadt in den vergangenen Jahren beim Abwasser zu viel eingenommen hat und nun an den Bürger zurückzahlen muss. 2011 gab es noch drei Millionen Euro zurück, dieses Jahr nur 2,1 Millionen.
Steuerzahler für Neuorganisation
Drittens musste die Entwässerung Essen GmbH (EEG), die für die Abwasserentsorgung zuständige Stadtwerketochter, erstmals die volle Gewerbe- und Körperschaftssteuer zahlen - eine Querverrechnung mit anderen (Verlust-)Betrieben ist nicht mehr möglich. Die Folge: Die Betriebsführungskosten, die die EEG der Stadt in Rechnung stellt, stiegen um neun Prozent.
Genau über diesen letzten Punkt regt sich Schledorn vom Steuerzahlerbund auf. Hätte Essen die Abwasserentsorgung nicht in eine GmbH ausgegliedert, hätte sie - und am Ende der Gebührenzahler - jetzt nicht die steuerrechtlichen Konsequenzen zu tragen, meint er.
Fehlende Kostentransparenz
Außerdem: „Seit die Stadt die Abwasserentsorgung ausgegliedert hat, fehlt die Transparenz, wie die Gebühren zustande kommen“, schimpft er. Schledorn glaubt, dass eine höhere Transparenz zu einer besseren Kontrolle und damit zu niedrigeren Gebühren führen würde. Er fordert daher von der Stadt und dem Stadtrat, eine andere Organisationsform der Abwasserentsorgung zu wählen. Als Beispiele nennt er Köln und Düsseldorf.
Auch die kalkulatorischen Zinsen, die in die Berechnung der Abwassergebühren einfließt, sind ihm schon lange ein Dorn im Auge. Essen kalkuliert für das in Kanälen und Abwasseranlagen gebundene Geld und für notwendige Kredite seit Jahren einen Zinssatz von 7 Prozent ein. Das sei bei dem derzeit historisch tiefen Zinsniveau viel zu hoch, findet Schledorn. „Hier könnte sich die Politik für eine Senkung von ein oder zwei Prozentpunkten stark machen. Das würde die Gebührenzahler sofort entlasten.“
Kämmerer Klieve wollte derweil noch keine Prognose für die Gebührenentwicklung 2013 abgeben. Fakt aber sei: „Der Kostendruck wird eher nicht geringer.“