Essen-Kupferdreh. . Jeden Mittwoch läuft Heinz Hof mit einer Gruppe Senioren durch Kupferdreh. Mit 89 Jahren ist er der älteste Ehrenamtliche bei dem Bürgerprojekt.
Früher machte Heinz Hof oft Urlaub in der Schweiz, wanderte leidenschaftlich gern und bestieg so manchen 4000 Meter hohen Berg. Heute spaziert er regelmäßig mit Senioren durch seinen Heimat-Stadtteil Kupferdreh. Denn als das Bürgerprojekt „Willst Du mit mir geh’n“ vor fünf Jahren startete, übernahm er das Ehrenamt. Inzwischen gibt es rund 120 Spazierpaten in 34 Stadtteilen – Heinz Hof ist mit 89 Jahren der älteste unter ihnen.
Wenn mittwochs punkt 11 Uhr die Matterhorn-Glocke („die habe ich vor etwa 50 Jahren aus Zermatt mitgebracht“) auf dem Kupferdreher Markt ertönt, wissen alle: Es geht los. Dann verstummen die lebhaften Gespräche, in dem Augenblick gehört die volle Aufmerksamkeit Heinz Hof. Er läutet so gut gelaunt Woche für Woche den Start des Spaziergangs ein, der bei Sonne, Schnee und Regen eine Stunde durch die Straßen Kupferdrehs, zum Baldeneysee, ins Asbachtal oder zur Dilldorfer Höhe führt.
Insgesamt gibt es in Kupferdreh sechs weitere Paten
Je nach Wetter sucht der 89-Jährige schattige Strecken oder trockene Wege aus, schlägt Ziele und Strecken vor und eine Gruppe Senioren folgt ihm jedes Mal. Insgesamt gibt es neben Heinz Hof sechs weitere Paten in Kupferdreh. Dabei lief das Projekt im Stadtteil zunächst nur schleppend an. „An den ersten Terminen sind gerade einmal drei Spaziergänger zum Treffpunkt gekommen“, erinnert sich Heinz Hof.
Erst selbst war vor fünf Jahren auf dem Weg in den Supermarkt, als ein sehr guter Bekannter um ihn als Paten warb. Heinz Hof sagte sofort zu. Seitdem fanden nur zwei Spaziergänge ohne ihn statt, „weil ich zu Beerdigungen musste“, erklärt er, der durchaus selbst ein wenig überrascht war wie plötzlich er zum Ehrenamt kam. Zumal früher, als er noch berufstätig war, daran gar nicht zu denken gewesen wäre. Nur selten blieb es in seinem Beruf bei der 48-Stunden-Woche. Als Hauptsekretär bei der Bundesbahn war Heinz Hof vor allem als Fahrdienstleiter im Einsatz: Morgens stand er oft bereits um zehn vor vier auf den Bahnhöfen in Überruhr, Heisingen und arbeitete auch viele Jahre auf den Bahnsteigen in Kupferdreh.
Augenzeuge bei der Entstehung des Baldeneysees
Hier ist der 89-Jährige geboren und kann von manchen Ereignissen wie dem Hochwasser („Als 1945 die Möhnetalsperre gesprengt wurde, stand zwölf Stunden später das Wasser in Kupferdreh meterhoch“) oder der Entstehung des Baldeneysees als Augenzeuge berichten. Anfang der 1930er Jahre etwa stand er an der Hand seines Vaters am Ufer und beobachtete wie der See mit Hilfe von Händen und Loren gebaut wurde. Ob Sprengung der Kampmannbrücke, die Jungfernfahrt der Weißen Flotte oder so manches Neubaugebiet aus der jüngsten Vergangenheit – Heinz Hof verfolgt interessiert die Entwicklungen in seinem Stadtteil.
Seine Reisen aber führten ihn vor allem in die Schweizer Berge, wo er zahlreiche Touren mit seiner Frau und Tochter sowie Freunden unternahm und viele Gipfel erklomm. Bilder aus diesen Zeiten in den schneebedeckten Alpen und bei geselligen Runden auf den Hütten füllen mehrere Alben.
Das Projekt lockt auch Alleinstehende
Heute genießt Heinz Hof die Spaziergänge im Stadtteil und meint nicht nur das gemeinsame Laufen, sondern auch die intensiven Gespräche und manchen Witz. Die Teilnehmer sprechen über Privates, über ihren Alltag, aber auch über Neuigkeiten aus Kupferdreh und wie es früher gewesen ist. „Wir haben mit dem Spazier-Projekt auch Alleinstehende rausgelockt“, freut sich Heinz Hof, der selbst seit 25 Jahren allein wohnt, nachdem seine Frau starb. „Es gibt auch nicht mehr viele Freunde, die noch leben“, erzählt der 89-Jährige. Durch sein Ehrenamt aber habe er neue Menschen kennengelernt. Wenn er nun im Stadtteil unterwegs ist, bleibt er häufig stehen, weil er jetzt Bekannte trifft. „Es gibt neue soziale Kontakte und man ist nicht einsam“, sagt er und ist wohl nicht der einzige in der Gruppe, dem es so geht.
Damals, als er im November 2012 wegen des Ehrenamtes angesprochen worden ist, war es übrigens sein Hochzeitstag – und vielleicht kein Zufall. Fest steht seitdem jedenfalls: „Ich freue mich jetzt auf jeden Mittwoch.“ Diese Freude teilen inzwischen 50 Spaziergänger. Und fragt man sie, wann ihr schönster Spaziergang war, lautet die Antwort: „Am Mittwoch.“
Das Bürgerprojekt „Willst Du mit mir geh’n“ feiert fünfjähriges Bestehen mit Broschüre
Sich bewegen, um im Alter mobil zu bleiben, soziale Kontakte knüpfen und den Stadtteil entdecken: Das steckt hinter der Spazier-Idee, die Mitstreiter vom Seniorenbeirat, von der Gesundheitskonferenz und vom Seniorenreferat ins Leben riefen. Nun feiert das Projekt „Willst Du mit mir geh’n“ sein fünfjähriges Bestehen.
Das Konzept: Paten warten im jeweiligen Stadtteil immer am gleichen Ort, am gleichen Wochentag, zur gleichen Zeit, um mit Senioren loszulaufen. Und während in den Anfängen manch Ehrenamtlicher allein am Treffpunkt stand, ist das Projekt inzwischen zum Erfolgsmodell geworden, das in die Landesinitiative Gesundes NRW 2015 aufgenommen wurde.
Fünf Jahre nach dem mancherorts holprigen Start laufen nun jede Woche rund 120 Paten in 34 Stadtteilen los: Mit ihnen sind regelmäßig bis zu 1000 Senioren unterwegs. Abseits dieser Zahlen gibt es aber viele Geschichten von Freundschaften, die entstanden sind, von gemeinsamen Stunden außerhalb der Spaziergänge und von Menschen, die ihre Einsamkeit überwunden haben. Und im Jahr der Grünen Hauptstadt gibt es sogar eine Broschüre mit den schönsten Spaziergängen aus den Stadtteilen – verfasst von Paten. Gedruckt wurden 3000 Exemplare. Erhältlich sind die an der Rathaus-Info (Porscheplatz), im Amt für Soziales und Wohnen (Steubenstraße 53), im Bürgeramt Gildehof (Hollestraße 3), in der Touristikzentrale (Am Hauptbahnhof 2), bei Kur vor Ort (Lührmann-straße 70), in der Ehrenamt-Agentur (Bredeneyer Straße 6) sowie im Projektbüro Grüne Hauptstadt (Brunnenstraße 8).
Weitere Auskunft gibt das städtische Seniorenreferat: Tel. 88 500 88 oder unter: www.essen.de/senioren