Essen. . Essen investiert in diesem Jahr 500.000 Euro in den Radverkehr. Der ADFC drückt aufs Tempo. Denn das Radwegenetz hat eine Achillesferse.

  • Essen investiert 500.000 Euro in Radverkehr. Öffnung von Einbahnstraßen, neue Fahrradstraßen
  • Lob und Kritik vom ADFC: Hauptverkehrsstraßen in Nord-Süd-Richtung bleiben gefährlich
  • Polizei auf RS 1 im Einsatz und kontrolliert Falschparker auf Radwegen. Stadt prüft Winterdienst

Die Stadt Essen wird voraussichtlich in diesem Jahr die 300. Einbahnstraße für Radfahrer öffnen, die auch dort dann in Gegenrichtung fahren dürfen. Im Ruhrgebiet belegt Essen damit einen Spitzenplatz, und auch deutschlandweit sei die Ruhrstadt sehr weit vorne, lobt Jörg Brinkmann, Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), um gleich auf die Bremse zu treten. Ginge es nach der Fahrrad-Lobby, würde die Stadt beim Ausbau des Radverkehrs ein viel höheres Tempo anschlagen. Gerade im Jahr der Grünen Hauptstadt „vermissen wir den großen Wurf“, klagt Brinkmann.

Dass es Fortschritte gibt, will der Fahrrad-Funktionär nicht kleinreden. Die Öffnung von Einbahnstraßen bezeichnet Brinkmann als Erfolgsgeschichte. Was das angeht, habe sich gerade in den zurückliegenden Jahren viel bewegt, oft gegen den Widerstand von Bezirkspolitikern, die um die Verkehrssicherheit fürchteten. Tatsächlich sei nicht ein einziger Unfall bekannt, der auf das Aufheben der Einbahnstraßen-Regelung für Fahrradfahrer zurückzuführen sei. Radfahrern eröffneten sich aber neue Fahrbeziehungen auf ihrem Weg durch die Stadt.

Die Stadt setzt sich 100 Fahrradstraßen zum Ziel

Als positiv bewertet Brinkmann auch die Einrichtung weiterer Fahrradstraßen. Der Fahrrad-Lobbyist spricht ihnen einen „hohen Symbolwert“ zu, haben dort Radfahrer doch Vorrang vor dem Autoverkehr. 41 Fahrradstraßen gibt es in Essen bereits. Die Stadt hat sich die Zahl 100 zum Ziel gesetzt. Vergleichbar mit der Eröffnung von Einbahnstraßen sei der Nutzen für Radfahrer hoch. „Vorausgesetzt Fahrradstraßen werden von Autofahrern akzeptiert“, so Brinkmann. „Daran hapert es, weil es noch viel zu wenig Fahrradstraßen gibt.“ Bei der Konzeption des Hauptroutennetzes sei einst von 250 die Rede gewesen. Doch das war in den 1990er Jahren.

Immerhin: 500.000 Euro fließen auch 2017 in den Ausbau des Radverkehrs und das im zweiten Jahr in Folge. Trotzdem bleiben die Hauptverkehrsstraßen die Achillesferse des Essener Radwegenetzes. „Es hapert vor allem in Nord-Süd-Richtung“, stellt Brinkmann fest. Weil es Eisenbahnlinien oder die A 40 zu queren gilt, hätten Radfahrer meist keine andere Wahl, als sich in den dichten Verkehr zu wagen. Selbst dort, wo Radfahrstreifen markiert sind, sei das nicht ohne Risiko. Brinkmann denkt dabei vor allem an jene, die – anders als geübte Radfahrer – nicht so sicher auf zwei Rädern unterwegs sind.

Fahrradstreifen der Polizei überwachen Radschnellweg

In West-Ost-Richtung sind hingegen zu Radwegen umgebaute ehemalige Bahntrassen häufig eine Alternative, allen voran der Radschnellweg RS 1. Dort ist zuweilen so viel los, dass die Polizei inzwischen Streife radelt. Die Beamten halten nicht nur auf dem RS 1 die Augen auf. Sie achten auch darauf, dass Radwege nicht zugeparkt werden und überlassen es nicht dem Ordnungsamt, einen Abschleppwagen zu rufen, sei es am Abend oder am Wochenende. „Wir warten nicht auf eine Behörde, die möglicherweise gar nicht mehr im Dienst ist“, sagt Polizeisprecher Peter Elke.

Die Stadt denkt derweil darüber nach, auch im Winter Radwege von Eis und Schnee zu räumen. Eine gute Nachricht, findet der ADFC, auch wenn diese bei den zuständigen Entsorgungsbetrieben noch nicht angekommen ist. Die Probe aufs Exempel steht wohl an, wenn das Grüne-Hauptstadt-Jahr ausklingt. Brinkmann: „Wir sind gespannt, wie es danach weitergeht“ in Sachen Radverkehr.