Essen. . In der Diskussionsreihe „Essen kontrovers“ forderte die Polizei mehr Fahrradstreifen, um die Biker auf den Straßen besser überwachen zu können.
Wem gehört die Straße? Mehr den Autofahrern? Das beklagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses Rolf Fliß (Grüne), der Essen immer noch als eher „autogerechte Stadt“ empfindet. Oder zunehmend den Radfahrern?
Hier hakte der Planungsamtsleiter Ronald Graf kritisch nach und fragte, warum man auf dem neuen Radschnellweg „mehr Touristen als Berufspendler“ sieht. Er habe keine Antwort darauf, wie sich der Radverkehr von sechs auf angestrebte 25 Prozent steigern ließe. „Da fällt mir erstmal nichts ein.“ In der NRZ-Diskussionsreihe „Essen kontrovers“ in der VHS mit mehr als 60 Teilnehmern stand die Verkehrspolitik auf dem Prüfstand.
Auslöser für die aktuelle Debatte war der im Sommer von der Polizei gestoppte Fahrrad-Korso „Critical Mass“ und die nach wie vor unbefriedigende Situation auf der Gladbecker Straße, eine der am stärksten belasteten Hauptverkehrsadern mit permanenten Überschreitungen der zulässigen Stickoxid-Grenzwerte.
Die Wogen um das Rudel-Radeln haben sich inzwischen geglättet. Die Polizei lässt „Critical Mass“ gewähren, als Verband mit mehreren hundert Radlern einmal im Monat ohne vorgegebene Route zu radeln. Hauptsache, es werde keiner gefährdet. „So wie das die beiden letzten Male ablief, können wir das akzeptieren“, sagte Wolfgang Packmohr, Leiter der Polizeidirektion Verkehr. Er zeigte Verständnis dafür, dass Radler darauf aufmerksam machen wollen, Raum für sich zu beanspruchen. „Das ist okay“. Auch als großer Biker-Verband durch die Gladbecker Straße? Nichts spreche dagegen, fand Packmohr, der sich Fahrrad-Streifen für seine Direktion wünscht, um Biker auf den Essener Straßen besser überwachen zu können. Damit sich jeder an die Regeln halte.
Aus den Reihen des Publikums wurde beanstandet, dass manche Radwege dort aufhören, wo es kritisch wird – und Nord-Süd-Verbindungen fehlen, die für Alltagsradler geeignet seien. Rolf Fliß von den Grünen forderte, den Jahresetat für Radwege wie in Dortmund auf zwei Millionen Euro zu erhöhen. A52-Gegner Martin Arnold schlug vor, nach fertiggestellten Projekten eine „Bewusstseinskampagne“ zu starten, um für die neuen Trassen zu werben. „Ich kenne eine Menge Leute, die derzeit in Essen Angst haben, Fahrrad zu fahren.“
Auf der Gladbecker Straße sieht man nur wenige Radfahrer, dort quält sich während der Rushhour eine Blechlawine durch den Verkehr. Ob Wechselpuren möglich sind oder zu weniger Staus führen, „das prüfen wir“, so Ronald Graf. Ebenso einen sechsspurigen Ausbau. Der führe möglicherweise aber zu noch mehr Verkehr, gab Jürgen Eichel vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) zu bedenken. Um für bessere Luft auf den Straßen zu sorgen, sprach er sich für temporäre Fahrverbote oder für die „Blaue Plakette“ aus, die strengere Abgaswerte für Autos vorschreibt.
Jan Borkenstein von der IHK widersprach. Er erinnerte an die hohen Investitionen vieler Betriebe in neue Fahrzeuge mit grüner Plakette. Werde die nun auch in Frage gestellt, „dann trifft das gerade kleinere Unternehmen hart“. Gerade für den Güter- und Schwerverkehr sei man auf Lastwagen angewiesen. „Und die fahren zu 90 Prozent mit Diesel.“
Borkenstein sieht nur eine „technologische Lösung“. Der VW-Abgasskandal könnte diese beschleunigen. „Da wird in den nächsten Jahren viel passieren.“