Essen. Die Kita-Gruppen St. Maximus in Essen und Bochum sind Vorreiter der flexiblen Kinderbetreuung. Bald könnte es in NRW mehr dieser Projekte geben.
Öffnungszeiten der Kitas sollen weiter an die Arbeitszeiten der Eltern angepasst werden
Neues Übernachtungsangebot wird von Eltern in Essen noch nicht genutzt
Das Programm wird vom Bundesprogramm noch finanziell unterstützt
Wenn es nach der neuen NRW-Landesregierung geht, sollen sich die Öffnungszeiten der Kitas weiter an die Arbeitszeiten der Eltern anpassen. Auch die Über-Nacht-Betreuung soll vermehrt möglich werden. "Da, wo es notwendig ist, etwa weil die Eltern Schichtarbeit leisten, wird es Kitas geben müssen, die über Nacht geöffnet sind", sagt Joachim Stamp (FDP), NRW-Familienminister.
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Umgangssprachlich werden diese Kindergärten auch als 24-Stunden-Kitas bezeichnet. Dies vermittelt einen falschen Eindruck. Denn "die Kinder werden keineswegs 24 Stunden am Stück betreut, sondern lediglich zu anderen und flexibleren Zeiten", sagt Marion Schmitz, vom Kita-Zweckverband. Sie ist Projektleiterin von St. Maximus, einer Zusatzgruppe zweier Kindergärten in Essen und Bochum, die diese Zusatzbetreuung anbieten.
Doch diesen Gruppen droht Ende 2018 das Aus, wenn das Bundesprogramm "KitaPlus" ausläuft. Bundesweit werden seit vergangenem Jahr 298 Einrichtungen mit einem flexiblen Betreuungsangebot finanziell unterstützt.
Übernachtungsangebot wurde in Essen bislang nicht angenommen
Marion Schmitz hat sich über das Förderprogramm gefreut. "Wir haben schon vorher mit flexiblen Randzeiten gebliebäugelt, aber das ist auch immer mit hohen Kosten verbunden." Mit der Förderung durch das Bundesprogramm "KitaPlus" sei dies jetzt aber umsetzbar. 200.000 Euro erhalten die beiden Einrichtungen jeweils pro Jahr. 15 Eltern haben derzeit einen Vertrag zum flexiblen Betreuungsangebot mit der Einrichtung in Essen geschlossen. Nach den Sommerferien werden es 18 Familien sein.
Das Übernachtungsangebot hat in Essen bisher noch keine Familie angenommen, so Schmitz. In Bochum sei regelmäßig alle zwei Wochen ein Geschwisterpaar (drei und sechs Jahre) über Nacht in der Kita. "Für die Eltern, die im Gesundheitswesen arbeiten, ist es eine große Erleichterung", sagt Schmitz. Zwei weitere Familien haben Interesse angemeldet.
St. Maximus ist für die Kinder etwas Besonderes
Eltern können ihren Nachwuchs in den St. Maximus-Gruppen schon ab 6 Uhr und bis 20.30 Uhr abgeben. Insgesamt zehn Kinder können in den Randzeiten pro Standort zeitgleich betreut werden und maximal fünf Kinder können über Nacht bleiben. Das zusätzliche Betreuungsangebot gilt nicht nur für Kinder der jeweiligen Einrichtungen. Voraussetzung ist lediglich ein Betreuungsvertrag in einer Kita oder einer Tagespflege.
Die Betreuungszeit von zehn Stunden täglich und 50 Stunden pro Woche darf hierbei aber nicht überschritten werden. Die zusätzliche Betreuung in den Randzeiten und das Übernachtungsangebot gilt für Kinder ab zwei Jahren. Für dieses Zusatzangebot wurde in Essen ein Gruppenraum umgebaut und in Bochum extra angebaut. Um das Angebot personell abdecken zu können, wurden zwei zusätzliche Fachkräfte und drei Ergänzungskräfte pro Standort eingestellt. Zwischen den Eltern und Erziehern gibt es einen engen Kontakt und Absprachen.
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Förderung über "KitaPlus" eine Art Anschubfinanzierung
Das Projekt wird von Sozialpädagogen vom Bund begleitet, mit denen alle drei Monate ein Treffen stattfindet. Für Projektleiterin Schmitz bietet diese organisierte und professionelle Kinderbetreuung für Eltern eine gute Alternative, wenn es Probleme gibt, die Kinder unterzubringen und diese nicht ständig wechselnde Betreuungspersonen haben sollen.
Sie ist von dem Angebot begeistert und hat das Bestreben, es auch nach 2018 fortzuführen. "Die Anmeldezahlen zeigen, dass Eltern flexible Betreuungszeiten benötigen", sagt Schmitz. Berufstätige mit Nacht- und Schichtdiensten, wie Ärzte, Krankenschwestern, Künstler oder auch Eltern, die im Gastronomiebereich arbeiten, würden davon beispielsweise profitieren. "Der Bedarf ist da. Mein Wunsch wäre es, dass es in jeder Region so eine Einrichtung gibt", sagt Schmitz.
Zusätzliche Beiträge müssen die Eltern hierfür bisher nicht bezahlen. Wie die Finanzierung nach Ablauf des dreijährigen Förderprogramms aussieht, ist noch offen. Aber "wenn zusätzliche Beträge erhoben würden, könnten sich das die Eltern gar nicht leisten", sagt Schmitz. Die Förderung über das Bundesprogramm "KitaPlus" ist jedoch nur als Anschubfinanzierung zu verstehen, sagt ein Sprecher des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
Qualität der Betreuung ist "das A und O"
Das könnte nach Ablauf der drei Jahre zum Problem werden. In der Kita St. Engelbert in Essen wird das Projekt von der katholischen Kirche angeboten. "Es werden Erwartungen geweckt, die aus eigenen Mitteln nach den drei Jahren nicht finanziert werden können", sagt Gabriele Maahn von der Gewerkschaft Verdi.
Sie ist selbst gelernte Erzieherin und ehemalige Kita-Leiterin. Je jünger die Kinder seien, desto qualifizierter müsse das Personal sein. Und je mehr Personal eingestellt würde, desto höher seien die Kosten. Kommunen und Städte hätten dieses Geld nicht. Außerdem würde auch jetzt schon ein Fachkräftemangel bestehen. Und es dürfe nicht passieren, dass durch das Angebot der flexiblen Öffnungszeiten Personal zu den Regelzeiten fehle.
Neben der Frage nach der Finanzierung ist für sie die Qualität der Betreuung "das A und O". "Wenn die Grundbetreuung gesichert und ausreichend Personal vorhanden ist und ein Bindungs- und Vertrauensverhältnis zwischen den Kindern und Erziehern da ist, ist es völlig in Ordnung, wenn die Kinder auch mal etwas länger in der Kita sind", sagt Maahn. Sie hat selbst Kinder und fand es nicht schön, ihre Kinder von verschiedenen Tagesmüttern betreuen zu lassen. "Man braucht ein breiteres Angebot", sagt sie. Übernachtbetreuung sollte ihrer Meinung nach allerdings wirklich nur in Notfällen angenommen werden.