Essen. Ein Stück Heimat und Ikone der Bäderkultur wird das Grugabad genannt. Beim Workshop zur Zukunft des Essener Bades fehlt es aber nicht an Kritik.
- 70 Essener haben in Workshops erste Vorschläge für die Zukunft des Grugabades erarbeitet
- Das größte Freibad der Stadt sei eine Ikone der Badekultur, leide aber unter seinem ramponierten Image
- Außerdem liege das Bad versteckt hinter dem Parkhaus und brauche ein vernünftiges Entree
Das Grugabad ist keine Badeanstalt, sondern Sehnsuchtsort und Paradies der Kindheit. Aus diesem aber, das wird am Donnerstag in der Messe schnell klar, lassen sich seine Stammgäste auch dann nicht vertreiben, wenn ihr Haar schon grau geworden ist. So sind sie der Einladung der Stadt gefolgt, sich über die Zukunft von Essens größtem Freibad Gedanken zu machen.
70 Teilnehmer zählen die drei Workshops am Nachmittag, es hätten mehr sein können. Darum fragt ein Herr bei der abendlichen Diskussion, warum auch die beiden Workshop-Tage im September „voll in die Arbeitszeit fallen“. Ein Einwurf, den Moderator Jörg Faltin zunächst abbügelt: Auch das Wochenende sei für viele Leute tabu. Später wird er ankündigen, dass man über Beteiligungsformate zu günstigeren Zeiten nachdenke. Eine Sprecherin der Stadt ergänzt, die Terminfindung habe sich wegen der beteiligten Experten schwierig gestaltet.
„Das Grugabad ist ein Stück Heimat“
Einige Badfans haben sich extra frei genommen, um von 14 bis 18 Uhr in den Workshops zu sitzen. Was sie – begleitet von bekannten Architekten – erarbeitet haben, stellen sie am Abend gut 100 Zuhörern in der Messe vor. Alle Gruppen gingen der Frage nach, wie die leicht angeschmuddelte Ikone der Badekultur aufzupolieren ist – und ihr Image gleich mit. Darunter nämlich leide das Grugabad, sagt Berit Rieseberg, die es „ein Stück Heimat“ nennt und sich wünscht, dass es als Landmarke wahrgenommen wird.
Die Wirklichkeit sieht anders aus: Mehrere auswärtige Teilnehmer erzählen, dass sie zigmal am Grugabad vorbeigefahren sind, ohne von dessen Existenz zu ahnen. Ein Freibad mit U-Bahn- und Autobahnanschluss, bestens erreichbar – und unsichtbar; versteckt hinter einem Parkhaus. Es fehle, sind sich alle Beteiligten einig, ein schönes Entree.
„Es fehlt Esprit, nicht die große architektonische Geste“
Öffnung zum Grugapark, Teilüberdachung, ganzjähriger Betrieb, Wellness und Gastronomie – auch das wird am Donnerstag verhandelt. Kosten, Wasserflächen und Besucherzahlen dito. Doch die Essener Badegäste und die angereisten Architekten eint der Glaube, dass das Grugabad keine Radikalkur brauche, sondern Aufmerksamkeit.
Pablo Molestina, der in Köln lehrt und aus New York stammt, erzählt wie man andernorts aufgegebene Areale zurückeroberte. Wenn seine Studenten aus dem Ruhrgebiet das Grugabad als „zu Assi“ abtun, rate er: „Wir müssen aufräumen und sagen, ,Das ist unser Wohnzimmer.’“ Die Gäste müssten sehen, dass das Bad geschätzt werde und man sich dort nicht daneben benehmen könne. „Dieser Esprit ist wichtiger als die große architektonische Geste.“
Nach Wasserschluss wird das Bad zur Bühne
Auch Landschaftsarchitekt Andreas Kipar, gebürtiger Gelsenkirchener und Wahl-Mailänder, will das Bad seiner Kindheit „bewahren – und ein bisschen mehr“. Er erzählt von einem Bad in Mailand, das geschlossen wurde und Jahre später als „Bagni Misteriosi“ auferstand, das heute nach Wasserschluss Theatergäste lockt. Als „Kunstbaden“ gibt es das auch in Essen, und Kipar glaubt an die Strahlkraft solcher Experimente: „Auf einmal ist das Bad nicht mehr nur Fläche, sondern ein Ort. Ein Ort, an dem man sich trifft.“
Für nüchterne Naturen mag das zu wolkig klingen, ist das Bad bloß ein gewaltiger Zuschussbetrieb. In den Workshops aber sitzen Fans wie Angela Weber, die dankbar ist über den geplanten Denkmalschutz: „Wenn das Grugabad wegkommt, ziehe ich aus Essen weg.“