Vorstände Peter Schäfer und Lars Martin Klieve erklären, warum die Stadtwerke heute besser da stehen als andere und wie sie die Zukunft sehen.
150 Jahre Stadtwerke Essen. Was hat sich in diesen 150 Jahren eigentlich nicht verändert?
Peter Schäfer: Die Stadtwerke sind bis heute zuständig für die Infrastruktur. Das heißt: Wir sorgen dafür, dass Wasser und Gas in die Haushalte kommen. Um das Abwasser kümmern wir uns seit 1998. Die Infrastruktur für Wasser und Abwasser, ebenso die für Strom, wird es sicher auch in 100 Jahren noch geben.
Die Stadtwerke werden sich künftig nur noch um Wasser, Abwasser und vielleicht Fernwärme kümmern? Gas spielt keine Rolle mehr?
Schäfer: Das könnte in ferner Zukunft so sein. Denkt man die Dekarbonisierung, also die CO2-neutrale Energieversorgung, konsequent zu Ende, wird irgendwann auch Erdgas keine Rolle mehr spielen. Aber in den nächsten 30 Jahren würde ich das Gas schon noch mit zu unseren Geschäftsfeldern zählen.
Lars Martin Klieve: Wir sind gut damit beraten, uns auf die Daseinsvorsorge zu fokussieren. Das hat die Stadtwerke 150 Jahre ausgemacht, und das wird weiterhin unser Auftrag sein. Ich halte nichts von der Kurzatmigkeit, die derzeit die Energiewelt befällt.
Das klingt nicht gerade nach einer offensiven Zukunftsstrategie. Warum tun sich die Stadtwerke mit den Chancen, die andere in der Energiewende sehen, so schwer?
Klieve: Wir brauchen nicht krampfhaft neue Geschäftsmodelle. Das Problem stellt sich doch vor allem für Unternehmen, die in der konventionellen Stromerzeugung tätig sind. Die bekommen jetzt Schnappatmung. Den Stadtwerken Essen ist das zum Glück weitgehend erspart geblieben. Vor einer großen Herausforderung steht derzeit bestimmt die Steag, an der wir beteiligt sind.
Besteht nicht die Gefahr, dass die Stadtwerke Essen wichtige Zukunftsthemen verschlafen?
Schäfer: Wenn es sich um sinnvolle Ergänzungsgeschäfte handelt, dann beschäftigen wir uns natürlich damit. Beispielsweise eröffnen wir eine Stromtankstelle an der Rüttenscheider Straße, um damit Erfahrungen zu sammeln. Zudem wollen wir das Thema Mieterstrom angehen. Dabei geht es darum, Photovoltaikanlagen für Mehrfamilienhäuser nutzbar zu machen. Bislang bezieht sich die Energiewende aber vor allem auf die Stromversorgung, um die sich wiederum viele Dienstleistungen ranken. Doch das Stromnetz in Essen gehört uns nicht. Hätten wir es, dann würden wir dort auch mehr tun.
Werden sich die Stadtwerke erneut um das Stromnetz bewerben, das heute Innogy betreibt?
Schäfer: Generell passt das Geschäftsfeld Stromnetz sehr gut zu Stadtwerken. Deswegen will ich eine erneute Bewerbung auch nicht ausschließen. 2024 kann die Stadt die Stromnetz-Konzession neu vergeben. Die Entscheidung darüber liegt also letztlich bei der Verwaltung und der Politik.
Klimaschutz, Mobilität und Versorgung wachsen immer stärker zusammen. Sind da nicht Überlegungen angebracht, Stadtwerke und die Evag zu einem Verkehrs- und Versorgungsbetrieb zusammenzulegen? So könnte man Synergien nutzen und diese Themen vorantreiben.
Klieve: Das würde schon an der Gesellschafterstruktur der Stadtwerke scheitern, die mit Innogy und Thüga 49 Prozent private Anteilseigner haben. Beide Gesellschafter wären sicher nicht bereit, sich an der Evag zu beteiligen.
Schäfer: Ich plädiere eher dafür, wie beim Öffentlichen Personennahverkehr, die städteübergreifende Zusammenarbeit von Versorgungsunternehmen zu fördern. Ich denke, da gibt es bei den Stadtwerken der Region noch Potenzial.
Haben Sie Beispiele dafür?
Schäfer: Ich könnte mir eine Kooperation bei der Materialbeschaffung und der technischen Betriebsführung vorstellen. Auch der gemeinsame Betrieb von Leitwarten könnte ein Thema sein.
Die Stadtwerke Essen
Momentan nehmen die Essener die Stadtwerke Essen am ehesten auf der Straße wahr. Es gibt so viele Baustellen wie selten zuvor.
Schäfer: Das stimmt. Vor allem durch unsere Maßnahmen im Abwasserbereich sind es derzeit ziemlich viele Baustellen. Das wird in den nächsten Jahren auch noch so anhalten.
Klieve: Wir investieren in den kommenden drei Jahren jeweils bis zu 50 Millionen Euro. Das ist viel Geld. Aber es ist sinnvoll angelegt und wichtig für die Stadtentwicklung. Das haben wir in Rüttenscheid gesehen, wo die Entwicklung weiterer Wohnungsbauflächen davon abhängt.
Was bedeutet das für die Abwasser-Gebühren, die die Essener künftig zahlen müssen?
Klieve: Diese Investitionen werden sich in den Gebühren wiederfinden. Sie werden maßvoll steigen.
Wenn wir schon beim Thema Preise sind: Es gibt immer wieder Kritik an den vergleichsweise hohen Gaspreisen der Stadtwerke.
Schäfer: Im vergangenen Jahr haben wir die Preise gesenkt. Und im Moment sieht es danach aus, dass sie weiter sinken werden. Genau wissen wir das aber erst in einigen Wochen. Die Stadtwerke Essen haben eine sehr risikoarme Einkaufsstrategie und einen überschaubaren Kostenblock, der nicht höher als bei den meisten anderen ist. Auch unsere Marge ist marktüblich. Natürlich finden Sie Anbieter, die temporär günstiger sind als wir. Aber viele Geschäftsmodelle der Wettbewerber zielen darauf ab, über Einmal-Rabatte Kunden zu locken, um anschließend die Preise wieder anzuheben. So etwas tun wir nicht. Das halten wir für unanständig.
Klieve: Die Stadtwerke stehen für Seriosität. Das erwarten die Bürger auch zu Recht.