Essen. . Thomas Kutschaty will die Landtagswahl hinter sich lassen und in der NRW-Politik weiter eine führende Rolle spiele. OB-Kandidatur eine Option.
- Essens SPD-Chef Thomas Kutschaty will die Niederlage bei der Landtagswahl hinter sich lassen
- Machtkampf in der Landtagsfraktion um den Vorsitz vertagt. Kutschaty hat Ambitionen
- In einem Jahr könnte er den Posten übernehmen. OB-Kandidatur 2020 wäre eine Option
Am Morgen hat Thomas Kutschaty daheim in Schönebeck den Rasen gemäht. Jetzt sitzt er in Jeans und T-Shirt in einem Straßencafé am Kennedyplatz und bestellt eine Eisschokolade. Auch ein Minister hat mal einen freien Tag.
Die Zeiten, in denen die Arbeitswoche schon mal 70 bis 80 Stunden zählt, in denen das Diensthandy auch nach Feierabend immer griffbereit liegt, diese Zeiten könnten für Thomas Kutschaty bald vorbei sein. Die Landesregierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist krachend abgewählt worden.
Tröstende Worte von Töchterchen Anna
Noch am Wahlabend war Kutschaty davon ausgegangen, dass er auch dem kommenden Kabinett als Justizminister angehören würde, dann in einer großen Koalition. Nun stehen die Zeichen im Land auf Schwarz-Gelb. „Als ich nach Hause kam, sagte meine Tochter, ich solle nicht traurig sein“, erzählt der dreifache Familienvater. Den wichtigsten Beruf habe er doch noch, meinte Töchterchen Anna (10): „Mein Papa“. Kann es Worte geben, die besser trösten?
In der Stunde der Niederlage wirkte der 48-Jährige gefasst und musste doch erst verdauen, was da passiert ist. Auch Kutschaty hatte im Wahlkampf viel zu spät gemerkt, dass sich die Stimmung auf der Straße gedreht hatte. Plötzlich stand er vor der Frage: War es das jetzt? Kutschaty hat sie für sich beantwortet: Nein, das soll es noch nicht gewesen sein. Er selbst formuliert, wie Politiker formulieren: „Ich will noch etwas bewegen.“
13 Prozent weniger bei den Erststimmen
In der kommenden Woche wird er zu einem der acht Stellvertreter von Norbert Römer gewählt. Ein Machtkampf innerhalb der Fraktion um die Nachfolge des 70-jährigen Fraktionschefs wäre damit zumindest vertagt. In einem Jahr könnte Kutschaty übernehmen. Sicher ist das nicht. Auch andere in der Fraktion haben Ambitionen. Er selbst hält sich bedeckt. Denn es geht auch darum, wer in fünf Jahren Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) herausfordern wird. Der Oppositionsführer wäre wohl erste Wahl. Wer auch immer Spitzenkandidat werden will, müsste an ihm vorbei.
Kutschaty ist ehrgeizig und jung genug, um sich für spätere Spitzenämter zu empfehlen. Er weiß, wie der Regierungsapparat funktioniert. Sein Amt führt er seit sieben Jahre ohne Affären und sorgte dennoch für Schlagzeilen in eigener Sache. Zuletzt in der Bild-Zeitung, als er Steuersünder Uli Hoeneß, den Präsidenten des FC Bayern, öffentlich anging. Bei der Landtagswahl holte er 45 Prozent der Erststimmen. Das waren 13 Prozent weniger als 2012 und weit entfernt von Zeiten, als die SPD im Norden den sprichwörtlichen Besenstil hätte aufstellen können. Aber es war immer noch das drittbeste Ergebnis aller SPD-Kandidaten.
Das Abschneiden der AfD will er nicht kleinreden
Dass die AfD in seinem Wahlkreis in einigen Stimmbezirken 20 Prozent einfuhr, will Kutschaty nicht kleinreden, wertet es aber vor allem als Ausdruck von Protest. Seine Erkenntnis: „Wir müssen noch näher ran an die Menschen vor Ort.“ Kritik an den Genossen soll das nicht sein. Im Gegenteil. Die Partei habe einen engagierten Wahlkampf hingelegt. Nur das Ergebnis stimmte nicht.
Kutschaty weiß ,wie sie so ticken in der SPD. Das war schon so, als er 2005 zum ersten Mal für den Landtag kandidierte. Auf dem Nominierungsparteitag trat er gegen Willi Nowack an. Der war politisch erledigt, weil einige in der Partei nicht länger zusehen wollten, wie der Abgeordnete und Fraktionschef im Rat, Politik zum Business machte. Nowack musste später wegen Insolvenzverschleppung ins Gefängnis. Politisch zu Fall gebracht hatten ihn andere. Kutschaty hatte auf seine Chance gewartet und zugepackt zu, als sie sich ihm bot.
Seit Herbst 2016 steht er selbst an der Spitze der Essener SPD. Als die Partei um den richtigen Kurs in der Flüchtlingsfrage stritt und die Vorsitzende Britta Altenkamp die Brocken hinwarf, trugen die Genossen ihm den Posten an: „Thomas, du musst das jetzt machen.“ Es gab Stimmen, die meinten, er hätte sich zu sehr herausgehalten. Heraushalten ging nicht mehr.
Kutschaty hat sich um den Vorsitz nicht gerissen. Nun bietet der ihm eine weitere Karriere-Option. 2020 wird der nächste Oberbürgermeister gewählt. Tritt er gegen OB Thomas Kufen (CDU) an, Schönebecker gegen Borbecker, Kopf-Mensch gegen Instinktpolitiker? Wen sollte die SPD aufstellen, wenn nicht ihren Vorsitzenden? „Die Partei wird sich ihre Zeit nehmen“, sagt Kutschaty. Vieles wird davon abhängen, wie es in Düsseldorf für ihn weitergeht. So oder so: Um die Tage mit Rasenmähen zu verbringen, ist es noch zu früh.