Essen. . Die Badestelle am Seaside Beach ist eröffnet. Schwimmstar Christian Keller war einer der ersten im Wasser. Andere schwammen in Erinnerungen.
- Badestelle am Seaside offiziell eingeweiht. Nach 46 Jahren ist das Schwimmen im See erlaubt
- OB Thomas Kufen: Nicht nur der Himmel über der Ruhr ist blau, auch das Wasser
- Erwartet werden mindestens 30 Badetage im Jahr. Badestelle nur für Schwimmer geeignet
Dieser Sprung ins kalte Wasser ist ein pures Vergnügen: Norbert Tegeler ist schon in den 1950er Jahren im Baldeneysee geschwommen. Da war er noch ein kleiner Junge. „Für uns aus Rüttenscheid gab es ja nichts anderes als den See und die Ruhr“, erzählt er. Das Grugabad war noch nicht gebaut. Und dass es nicht gesund sein könnte, im Ruhrwasser zu baden, „war für uns gar kein Thema“.
Nun zählt der 74-Jährige zu den ersten, die sich in die 19 Grad kühlen Fluten stürzen. Nach 46 Jahren ist am Dienstag am Baldeneysee wieder eine Badestelle eröffnet worden. Oberbürgermeister Thomas Kufen findet große Worte und erinnert an Willy Brandt: „Es gibt nicht nur den blauen Himmel über der Ruhr, sondern auch blaues Wasser in der Ruhr.“ Und Schwimmstar Christian Keller drückt aus, was wohl so manchem der Zaungäste durch den Kopf geht: „Für mich als Essener ist das emotional bewegend.“
Seit Anfang der 1970er Jahre war das Schwimmen verboten
Christian Keller kannte es nur aus Erzählungen seiner Eltern. Aber schwimmen im Baldeneysee – für viele Essener war das einmal so normal wie ein Bad in Nord- oder Ostsee in den großen Ferien. Schon kurz nach dem Bau des Stausees Anfang der 1930er Jahre eröffnete am Hardenbergufer am Haus Scheppen eine erste Badestelle. 1937 folgte das Freibad Baldeney, heute der Seaside Beach, einer der coolsten Orte im Revier, den nicht jeder hier erwarten würde. Anfang der 1970er Jahre untersagte die Bezirksregierung auch hier das Schwimmen. Nur per Ausnahmegenehmigung war es seit den frühen 1950ern in den Freibädern entlang er Ruhr von Mülheim bis Essen-Steele noch erlaubt. Die schlechte Wasserqualität ließ das Baden nicht länger zu.
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Dass der Ruhrverband in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt 1,6 Milliarden Euro in seine Klärwerke investiert hat, macht sich nun bezahlt. Dennoch sollte es zehn Jahre dauern, bis aus der Idee, das Schwimmen im Baldeneysee wieder möglich zu machen, Wirklichkeit wurde. Den Anstoß gab ein Forschungsprojekt zur Keimbelastung des Ruhrwassers. Anders als bei so vielen Forschungsprojekten verschwanden die Ergebnisse nicht gut dokumentiert in den Bibliotheken der Institute. Die Stadt Essen nutzte die Erkenntnisse und verfügt nun über eine Badestelle, die den strengen Vorgaben der Europäischen Union an freie Gewässer genügt – und das mitten im Ruhrgebiet. Dass sie eröffnet wird, während Essen sich Grüne Hauptstadt Europas nennen darf, soll auch ein Zeichen für den Wandel der gesamten Region sein.
Die jüngsten Hygiene-Untersuchungen des Ruhrverbandes vom Wochenende ergaben, dass die Wasserqualität den Anforderungen der EU an eine „ausgezeichnete Badqualität“ erfüllt, so Norbert Jardin, Technischer Vorstand des Wasserversorgers.
Am Seaside Beach rechnen sie mit 40, 50 vielleicht sogar 60 Badetagen pro Jahr. Vorausgesetzt es regnet nicht zu häufig und nicht zu stark. Denn dann besteht die Gefahr, dass die Regenrückhaltebecken der Kanalisation überlaufen und ungeklärtes Abwasser in die Ruhr abfließt.
Das Frühwarnsystem hat die Bewährungsprobe bestanden
Ein eigens für die Badestelle ausgetüfteltes Frühwarnsystem hat seine Bewährungsprobe bereits bestanden. Weil drei der sechs Messstellen angeschlagen hatten, war die für den vergangenen Sonntag geplante Eröffnung der Badestelle kurzfristig abgesagt worden. Pro Quadratmeter waren mehr als fünf Millimeter Niederschlag gemessen und so die kritische Grenze überschritten worden. Auch damit wollen sie beim Ruhrverband Erfahrungen sammeln. „Wir fangen jetzt am Baldeneysee an“, betonte Vorstand Norbert Jardin. Möglicherweise kommen in naher Zukunft weitere Badestellen entlang der Ruhr hinzu. So lange bleibt es bei der einen, 400 Quadratmeter großen am Seaside Beach in Essen. Und wie fühlte er sich an, der erste Sprung ins 19 Grad kühle Nass? Norbert Tegeler strahlt über beide Ohren: „Zuerst war’s ein kurzer Schock. Aber nach drei, vier Zügen war es einfach nur herrlich.“