Essen. . 1937 wurde das Freibad Baldeney eröffnet. Es war nicht die einzige Badestelle an der Ruhr. Wasserqualität war damals viel schlechter als heute.
Wenn in der nächsten Woche am Seaside Beach des Baldeneysees eine Badestelle eröffnet wird – die erste seit über 40 Jahren – dann heißt es auch: zurück in die Zukunft. Denn was eine Attraktion werden soll, das gab es schon. Ältere Jahrgänge werden sich erinnern oder haben sich sogar selbst in die Fluten gestürzt. Ja, so mancher Essener hat im Baldeneysee schwimmen gelernt.
Auf alten schwarz-weiß Aufnahmen drängen sich die Badenden im See. Nur ein paar Schwimmzüge entfernt dampft die Weiße Flotte vorbei. In manchem Familienalbum dürften ähnliche Bilder kleben. Sorgen, da könnte etwas passieren, spielten offenbar keine Rolle. Und wenn doch, dann stellten Behörden und Bedenkenträger sie hinten an.
Hygienischen Qualität des Wassers war damals viel schlechter
Auch die hygienischen Qualität des Wassers, die damals viel schlechter war als sie heute dank der modernen Kläranlagen ist, konnte die Essener vom Baden im See und in der Ruhr nicht abhalten.
Dass der Baldeneysee auch der Erholung dienen sollte und nicht allein der natürlichen Reinigung des Trinkwassers, das stand bereits fest, als 1931 mit dem Bau des gewaltigen Reservoirs begonnen wurde. Zwei Jahre später staute sich das Ruhrwasser vor dem Baldeneywehr in Werden. Noch im gleichen Jahr starteten die Arbeiten für ein Seeschwimmbad an Haus Scheppen am Hardenbergufer. Ab 1934 entstand schließlich auf der gegenüberliegenden Seite das Freibad Baldeney – ein Sportbad mit zwei Becken für Nichtschwimmer, einem Schwimmerbecken und einem zehn Meter hohen Sprungturm im See. Ein beliebtes Fotomotiv, dessen Fundamente heute noch zu sehen sind. 1937 wurde das Bad eröffnet. 50 Jahre später sollte das Technische Hilfswerk den eisernen Turm in einer Übung in seine Einzelteile zerlegen. Da war das Schwimmen im See längst Geschichte.
Regierungspräsident untersagte das Schwimmen in der Ruhr
Anfang der 1950er Jahre hatte der Regierungspräsident das Schwimmen in der Ruhr untersagt, aus „nicht mehr tragbaren hygienischen Missständen“, wie es in einem Bericht des Ruhrverbandes heißt. Betroffen war der Flussabschnitt von der Mülheimer Schleuse bis zur Grenze des Regierungsbezirks Düsseldorf bei Steele.
Das Badevergnügen war damit aber nicht zu Ende. Die Freibäder am Baldeneysee, in Werden, Kettwig und Steele sowie in Mülheim-Saarn durften per Ausnahmegenehmigung weiter öffnen. Bis 1973, dann musste auch das Mülheimer als letztes Bad schließen. Heute denkt auch die Nachbarstadt darüber nach, wieder eine Badestelle einzurichten.
„Wenn die Leute raus kamen, waren sie überall grün“
Wann genau das Schwimmen im Baldeneysee endgültig verboten wurde, können die Sport- und Bäderbetriebe nicht mehr rekapitulieren. Fest steht: Am heutigen Seaside Beach mussten Badende fortan in den Becken ihre Bahnen ziehen. Gespeist wurden diese mit Grundwasser. Beheizt waren sie nicht. Dafür bildeten sich Algen, wenn die Sonne zu lange drauf schien. „Wenn die Leute raus kamen, waren sie überall grün“, erinnert sich Norbert Timm von den Sport- und Bäderbetrieben, letzter aktiver Schwimmmeister im Baldeneybad. „Im Blaumann bei 30 Grad die Becken schrubben – harte Arbeit war das“, berichtet Timm. Und doch sei es eine wunderschöne Zeit gewesen.
Die Becken hatte die Stadt schon Mitte der 1980er Jahre trocken gelegt. Ob ein Chlorgasunfall, der sich wenige Jahre zuvor ereignete hatte, dabei eine Rolle spielte? Bei den Sport- und Bäderbetrieben sind sie sich nicht mehr sicher. Norbert Timm erinnert sich, dass das Grundwasser nicht mehr ausreichte, um die Becken zu füllen. Aus dem Freibad wurde ein Licht- und Luftbad. Abgepumpt aber wird heute noch, das Pumpenhaus von 1937 ist nach wie vor in Betrieb. Andernfalls bekämen Sonnenanbeter nasse Füße, stünden die Liegewiesen unter Wasser, denn das Gelände liegt niedriger als der Wasserspiegel des Sees.
Viel vom Charme des alten Bades hat der Seaside-Beach bewahrt. Der alte Baumbestand spendet Schatten, am Ufer weht meist eine erfrischende Brise. An der Badestelle sind sie bei den letzten Handgriffen. Wenige Tage noch bis zur Eröffnung, wenn das Wetter mitspielt. Nicht nur Norbert Timm, der ehemalige Schwimmmeister, freut sich drauf.