Essen. . Ein Handyvideo zeigt einen dramatischen Polizeieinsatz in Essen: Ein Randalierer bringt eine Streife an ihre Grenzen, drei Migranten helfen.
- Video zeigt kuriosen Polizeieinsatz: Migranten helfen Polizisten bei Festnahme in Frohnhausen
- Polizist und schmächtige Kollegin konnten betrunkenen Randalierer alleine nicht überwältigen
- Polizeisprecher: unübersichtliche Lage. Polizistin hätte Knüppel oder Reizgas einsetzen können
Das Video, das derzeit über einen Essener Polizeieinsatz im Internet kursiert, hat das Zeug, so etwas wie ein Lehrfilm zu werden. „Wir wollen zum Bürger keine künstliche Distanz, aber manchmal müssen wir einen Preis dafür bezahlen“, sagt Peter Elke, Sprecher der Essener Polizei. Der Preis – das war in diesem Fall eine nicht ungefährliche Widerstandssituation, die ein Streifenpolizist und seine weibliche Kollegin allein nicht in den Griff bekamen. Per Handyvideo hat ein unbeteiligter Passant die Szene festgehalten. Es wurde im Netzwerk Facebook zum Renner.
Voriger Sonntag um 18.30 Uhr: Ein laut späteren Polizeiangaben betrunkener, stämmiger Mann torkelt über die Berliner Straße in Frohnhausen, verhält sich auffällig und verkehrsgefährdend. Bürger alarmieren die Polizei. Ein Streifenwagen trifft ein, stellt den 36-jährigen Störer an der Ecke Kuglerstraße. Routine, so scheint es.
Dann beginnt das Drama. Das Video zeigt, wie der Polizist mit dem laut schreienden Mann an einem Wagen rangelt. Dem korpulenten Beamten rutscht die Jacke hoch, seine herbeieilende, recht kleine Kollegin steht zunächst dabei und streift sich Handschuhe über, macht dann aber einen hilflosen Eindruck und kann jedenfalls wenig dazu beitragen, die Lage in den Griff zu kriegen. „Zuvor hatte der Polizist schon einige Schläge kassiert“, sagt Haydar Yilmaz, der das Handyvideo gemacht hat.
„Mein erster Schreckgedanke war: Das sind Komplizen“
Dann betreten zwei Männer, dem Aussehen nach Migranten, die Szenerie. „Mein erster Schreckgedanke war: Das sind Komplizen, und unsere Kollegen werden jetzt von zwei Seiten in die Mangel genommen“, sagt Peter Elke. Doch es kommt vollkommen anders. Die beiden fragen, ob die Polizisten Hilfe brauchen. Als dies bejaht wird, greifen sie beherzt ein, bringen den 36-Jährigen zum Stürzen und versuchen den sich heftig wehrenden Mann am Boden zu halten, was nach vielen Mühen auch gelingt. „Wir haben uns über diese tatkräftige Hilfe gefreut“, sagt unumwunden Polizeisprecher Elke.
Wieder machen die Polizisten allerdings keine gute Figur. Der männliche Kollege stürzt schwer, kullert fast über die Fahrbahn, seine Kollegin steht recht ratlos wirkend daneben, während es die Passanten sind, die hart, aber nicht übermäßig brutal zupacken.
Peter Elke ahnt die Frage, die sich hier aufdrängt: Lässt die körperliche Fitness der Beamten, ihr ganzes Auftreten nicht doch einiges zu wünschen übrig? „Unsere Kollegen sind keine Preisboxer und keine Karatekämpfer, es geht auf der Straße leider manchmal anders zu als im Fernsehen.“
Er gehe davon aus, dass mit derart entschlossenem Widerstand einfach nicht zu rechnen war. Das heiße allerdings nicht, dass sportliche Fitness bei langgedienten Polizisten nicht mehr gefordert sei. „Wir müssen alle regelmäßig das Sportabzeichen ablegen.“ Übergewicht zum Beispiel bedeute durchaus nicht automatisch, dass ein Polizist solchen Krafteinsätzen nicht mehr gewachsen ist.
Schlagstock oder Reizgas legitim
Der Polizeisprecher räumt auch ein: Die Kollegin hätte Schlagstock oder Reizgas zum Einsatz bringen können. „Die Lage hätte absolut dazu berechtigt.“ Aber: „In einer so verworrenen Situation gibt es natürlich die Sorge, dem eigenen Kollegen mehr zu schaden als dem Täter.“ Zumal der Betrunkene deutlich größer war als die Polizistin, diese also Mühe gehabt hätte, auf den Kopf des Störers einzuschlagen. Erst mit vereinten Kräften und der weiterhin massiven Hilfe der erst zwei, später drei Passanten gelingt es jedenfalls, den 36-Jährigen solange auf der Straße unten zu halten, bis mehr Polizei eintrifft.
Augenzeugen helfen Polizisten
Der Mann kam in eine Ausnüchterungszelle, Anzeige ist erstattet. Letztlich reihe sich der Vorgang ein in das, was seit Jahren zu beobachten ist: „Alle Polizisten im Streifendienst sind immer öfter zu Körpereinsatz gezwungen.“ Gleichwohl lehne man es ab, sich quasi automatisch auffälligen Bürger vorsichtshalber mit gezogenem Schlagstock zu nähern. Das, so Elke, wäre dann eine andere Polizei.
Die Polizei hat sich am Mittwoch auch offiziell via Facebook-Post bei den Helfern bedankt. Und das Video? Peter Elke ist sicher: Es wird Eingang finden in die internen Schulungsprogramme der Polizei. Es zeige, auf was Polizisten gefasst sein müssten. Und vermutlich auch, welche Fehler dabei passieren können