Essen/Oberhausen. . Die Entscheidung, nicht zu öffnen, war für den Limbecker Platz bitter, aber unstrittig. Vor dem Zentrum gab es Szenen aufreizender Gelassenheit.
Es hätte einer jener Samstage werden sollen, an denen im Einkaufszentrum Limbecker Platz der Rubel rollt. Es kam anders. Um 8 Uhr rückt die Polizei an und markiert den riesigen Komplex am Rand der Essener Innenstadt mit Flatterband als Sperrzone, Beamte mit Maschinenpistolen stehen rund herum Wache, Polizeiwagen sichern das Umfeld.
In den folgenden Stunden sickert aus Sicherheitskreisen durch, warum die Behörden sich zu einem so weitreichenden und spektakulärem Handeln genötigt sehen: Ein in Syrien lebender, aus Oberhausen stammender IS-Kämpfer soll über einen Internet-Messenger-Dienst Gesinnungsgenossen im Ruhrgebiet den Auftrag erteilt haben, einen Anschlag zu verüben – dabei nennt er konkret den Limbecker Platz.
Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern nimmt die Bedrohung sehr ernst
Obwohl es als ungewöhnlich gilt, dass in einer Dschihadisten-Kommunikation Anschlagsorte und das Zeitfenster der Tat benannt werden, nimmt das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern die Bedrohung sehr ernst, zumal die Behörden den als Drahtzieher Verdächtigen seit langem beobachten. In der Nacht zum Samstag bewertet die Polizei das Risiko als groß und ordnet an, dass das Einkaufszentrum für mindestens diesen Tag geschlossen bleiben muss.
Eine weitreichende Entscheidung. Bis zu 70.000 Kunden kommen an Samstagen zum Limbecker Platz, rund 200 Geschäfte gibt es. Der materielle Schaden ist gewaltig. Center-Managerin Alexandra Wagner respektiert die Entscheidung auch im Namen des Gebäudeeigentümers ECE und der einzelnen Geschäftsinhaber aber sofort: „Die Sicherheit aller Mitarbeiter, Mietpartner und Besucher hat für uns oberste Priorität.“ Und dies, betont Wagner am Sonntag auf Anfrage, gelte auch im Nachhinein. „Wir sind dankbar, dass die Polizei diese Entscheidung getroffen hat.“
Im Rest der Essener Innenstadt ist alles wie gewohnt öffnet
Am Samstagmorgen wirkt die Szenerie vor dem verriegelten und schwer bewachten Einkaufszentrum dennoch fast unwirklich gelassen. Fast alle potenziellen Kunden hatten über die Nachrichten in den Medien von der Schließung gehört. Die wenigen anderen trösteten sich damit, dass im Rest der Innenstadt alles wie gewohnt öffnet – ausgenommen nur einige Läden in unmittelbarer Nachbarschaft des Limbecker Platzes, wie etwa das Schuhhaus Deichmann.
Keine 20 Meter vom Einkaufszentrum entfernt bietet auch Bäckerei Kamps das Gewohnte an – zur Freude hungriger Polizisten und auch etlicher Passanten, die es sich draußen an den Außentischen gemütlich machen. Zu sehen ist eigentlich nichts, außer dass ab und zu Polizisten das Gebäude betreten und wieder verlassen und Journalisten Gesprächspartner suchen.
„Wird schon gut gehen“, glaubt Dieter Jülich, der an einem der Tische seinen Kaffee trinkt. Angst habe er keine. Gelassenheit demonstriert auch eine Mutter, die ihren vielleicht zweijährigen Knirps herumlaufen lässt, der sich zutraulich den Polizisten nähert. Für den Kleinen sicherlich sehr aufregend.
Einkaufszentrum Limbecker Platz öffnet am Montag wieder
Bei Kamps geht einiges über die Theke. „Was sollen wir machen“, sagt eine Verkäuferin, „wir können nicht schließen und unsere Ware wegschmeißen, das zahlt uns ja keiner“. Solange es keine Gefahr für Leib und Leben gebe, bleibe der Laden auf.
Zu diesem Zeitpunkt weiß noch keiner, dass am Ende im Einkaufszentrum nichts Gewalttätiges passieren wird und auch eine der zwischenzeitlich in Oberhausen festgenommenen Kontaktpersonen des Drahtziehers wieder auf freien Fuß gesetzt werden muss. Waffen oder gar Bombenmaterial findet sich in ihren Wohnungen nicht.
Wegen des Oberhausener Hintergrunds ist die Polizei am Samstag auch im Centro deutlich stärker präsent als sonst, und zwar sichtbar, aber auch in Zivil. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. „Es gibt keine konkreten Hinweise auf einen geplanten Anschlag am Centro“, betont ein Polizeisprecher. Und das Centro bleibt auch offen.
Der Limbecker Platz wird am Montag ebenfalls wieder normal öffnen. „Nach Angaben der Polizei gibt es keine Hinweise auf eine weitere Bedrohung“, sagt Center-Managerin Wagner. „Rein vorsorglich“ werde man aber das eigene Wachpersonal verstärken.
>> Info: Die Salafistenszene in Oberhausen
Der Staatsschutz stuft etwa 20 Oberhausener als salafistisch ein. Polizisten an der Basis allerdings sprechen von der „Salafisten-Hochburg Oberhausen“. Nach Erkenntnissen verschiedener Quellen versammeln sich einige Salafisten in einer zur Moschee umgebauten früheren Gaststätte.
2007 trat der Prediger Pierre Vogel in Oberhausen auf – ein Video zeigt, wie fünf Deutsche dabei zum Islam konvertierten.