Essen. Die Veranstalter der Kundgebung gegen den AfD-Parteitag zeigten sich enttäuscht: Zeitweise waren mehr Polizisten als Demonstranten vor Ort.

Demonstranten des Aktionsbündnisses „Essen stellt sich quer“ hatten bereits am Samstagmorgen die Delegierten der AfD-Landesvertreterversammlung vor der Messe Essen mit Pfiffen und Transparenten empfangen. Die Rechtspopulisten haben an diesem Wochenende in Essen ihren Kandidaten für die Bundestagswahl im Herbst nominiert: Die nordrhein-westfälische AfD zieht mit Martin Renner als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf.

Doch die Veranstalter der Kundgebung waren zunächst enttäuscht: Zu Beginn am Morgen waren mehr Polizisten als Demonstranten vor Ort. Nur rund 100 AfD-Gegner hatten sich auf der Norbertstraße in Höhe der Moritzstraße versammelt. Für die Einsatzkräfte, die zum Teil aus Bielefeld gekommen sind, war es ein ruhiger Vormittag.

Max Adelmann, Sprecher des Aktionsbündnisses: „Wir wollen der AfD zeigen, dass wir keinen Platz für Rassismus und Ausgrenzung haben.“ An der Kundgebung vor der Messe beteiligen sich Grüne, Linke, Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Auch das Anti-Rassismus-Telefon und die Umweltgewerkschaft machen mit.

Erst geringe Resonanz bei Gegendemonstration

Kai Gehring, MdB der Grünen sagt: "Es ist ein Treppenwitz, dass eine antieuropäische und rassistische Partei im Europasaal der Messe Essen tagt." Er versuchte der geringen Teilnehmerzahl zu Beginn der Demonstration noch etwas Positives abzugewinnen: "Die Essener strafen die AfD mit Nichtbeachtung."

Doch auch Stefan Keuter, Sprecher der AfD Essen, wertet die zunächst geringe Teilnehmerzahl bei der Kundgebung positiv: "Die geringe Resonanz zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Essen ist keine Studentenstadt wie Münster, sondern eine Stadt der hart arbeitenden Menschen."

Demonstranten ziehen in die Innenstadt

Das ist der Weg, den der Demonstrationszug in Richtung Willy-Brandt-Platz nimmt.
Das ist der Weg, den der Demonstrationszug in Richtung Willy-Brandt-Platz nimmt.

Mit Beginn des Demonstrationszuges um kurz nach 11 Uhr erhöhte sich die Zahl der Teilnehmer aber sehr. Mehr als 650 AfD-Gegner zogen durch Essen-Rüttenscheid. Mit dabei waren auch viele junge Familien. Die für 12 Uhr angekündigte Abschlusskundgebung hatte mit dreiviertelstündiger Verspätung begonnen. Zu den Rednern gehörte auch der Essener DGB-Chef Dieter Hillebrand. Er sagte: "Die AfD ist für Gewerkschafter nicht wählbar, weil sie soziale Standards brutal zusammenstreichen will."

Während die Abschlusskundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz lief, zog die Polizei bereits viele Einsatzkräfte ab. Polizeisprecherin Sandra Steinbrock berichtete von einem störungsfreien Ablauf: "Keine besonderen Vorkommnisse."

Keine Verkehrsbeeinträchtigungen in Rüttenscheid

Schon eher in die Rubrik "Kurioses" fällt ein Vorfall, der sich zu Beginn der Demonstration ereignet hatte. Eine Radfahrerin, die ebenfalls an der Demo teilnehmen wollte, sei eine kleine Deutschland-Fahne entrissen worden. Der Beschuldigte zeigte sich geständig.

Zu den befürchteten Verkehrsbeeinträchtigungen auf der Rüttenscheider Straße sei es nicht gekommen. "Wir haben in den sozialen Medien fortlaufend über die Demonstration berichtet und konnten die Beeinträchtigungen so auf den minimales Maß beschränken", so die Sprecherin.

Essener Politikiner fordert Messe auf, Mieteinnahmen zu spenden

An dem vom Aktionsbündnis "Essen stellt sich quer" organisierten Protest beteiligten sich zahlreiche Parteien und Verbände, darunter die SPD, der DGB, Verdi, Grüne, Linke, Jusos, das Jugendwerk der Awo, MLPD, DKP, die Evangelische Jugend Essen, der Bund der Katholischen Jugend, die Antifa aus Köln ("Köln gegen Rechts") und
der Bund der Antifaschisten (VVN).

Die Essener Politikerin Britta Altenkamp, stellvertretende Vorsitzende der NRW-SPD, forderte den Aufsichtsrat der Messe Essen auf, die Mieteinnahmen aus dem AfD-Parteitag an gemeinnützige Organisationen oder Flüchtlings-Initiativen zu spenden.

Außerdem traten sie OB Thomas Kufen (CDU) entgegen, der gesagt hatte, Essen müsse die AfD aushalten. Sie sagte dieser Zeitung: "Ich kann Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz nicht aushalten."

Essener AfD-Kreissprecher bewarb sich um Spitzenkandidatur

Im Europasaal der Messe Essen hatte derweil der Essener AfD-Kreissprecher Stefan Keuter seinen Hut in den Ring geworfen. Der 44 Jahre alte Kaufmann trat im Kampf um die Spitzenkandidatur (Listenplatz 1) gegen Martin Renner und drei weitere Bewerber an.

Keuter rechnet sich in dem politisch gespalteten AfD-Landesverband keinem Lager zu. "Ich bin bürgerliche Mitte mit einer starken sozialen Verantwortung." Unterstützt wird seine Spitzenkandidatur vom Karnaper AfD-Politiker Guido Reil. "Die Partei hat keine Lust mehr auf Spaltung und Polarisierung", sagte Keuter dieser Zeitung.

Essen stellt sich quer

650 Demonstranten stellten sich gegen die AfD quer. Sie versammelten sich vor der Messe Essen und zogen dann in die Innenstadt zu einer Kundgebung. Foto: Knut Vahlensieck / Funke Foto Services
650 Demonstranten stellten sich gegen die AfD quer. Sie versammelten sich vor der Messe Essen und zogen dann in die Innenstadt zu einer Kundgebung. Foto: Knut Vahlensieck / Funke Foto Services © FUNKE Foto Services
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