Essen. . Das Urteil zu einem Fall aus Essen hat Sprengkraft: Rotkreuz-Schwestern sind Leiharbeiter. Damit wackelt das Geschäftsmodell auch am Uniklinikum.
- Das Bundesarbeitsgericht hat am Dienstag einen jahrelangen Rechtsstreit am Uniklinikum entschieden
- Demnach sind die beschäftigten DRK-Schwestern Leiharbeiter und dürfen dort bald nicht mehr unbefristet arbeiten
- Die Schwesternschaft will ihr Geschäftsmodell retten und setzt auf Arbeitsministerin Andrea Nahles
Im Personalratsbüro des Universitätsklinikums brach am Dienstagnachmittag Jubel aus. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hatte zu diesem Zeitpunkt ein fast schon revolutionäres Urteil verkündet: Die bundesweit 25 000 Rotkreuz-Schwestern verlieren nach über 100 Jahren ihren arbeitsrechtlichen Sonderstatus. Sie gelten damit als Leiharbeiterinnen, wenn sie von den Schwesternschaften in Kliniken und Krankenhäusern außerhalb der DRK-Organisation eingesetzt werden.
Damit änderte das BAG eine jahrzehntelange Rechtsprechung. Bis dato hatten Gerichte die DRK-Schwestern stets als Vereinsmitglieder anerkannt und nicht als „klassische“ Arbeitnehmer.
Klage ging von der Ruhrlandklinik aus
„Das ist ein Riesenerfolg für uns“, sagte Petra Bäumler-Schlackmann, Personalrätin am Essener Uniklinikum. Der Sonderstatus der Schwestern war dem Personalrat dort schon lange ein Dorn im Auge. Weil die Schwestern Vereinsmitglieder sind, gelten für sie nicht die gleichen Rechte wie für Arbeitnehmer. Sie sind in den Krankenhäusern eine eigene Belegschaft innerhalb der Belegschaft, und Betriebsrat bzw. Personalrat haben nichts zu sagen. Im aktuellen Fall hatte die zum Uniklinikum gehörende Ruhrlandklinik 2010 geklagt, weil der Betriebsrat nicht zustimmen wollte, als die Klinik eine DRK-Schwester beschäftigen wollte.
Das Urteil hat Sprengkraft. Denn eigentlich ist damit das über 100 Jahre alte Geschäftsmodell der Schwesternschaft am Ende. In Essen arbeitet der größte Teil der rund 1300 DRK-Schwestern per Gestellungsvertrag am Uni-Klinikum. Laut BAG fallen sie nun als Leiharbeiter aber unter das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Und das wird ab April verschärft. Ab dann dürfen Leiharbeiter maximal noch 18 Monate an einen Betrieb ausgeliehen werden. Der unbefristete Gestellungsvertrag der DRK-Schwesternschaft wäre hinfällig.
Arbeitsministerin Andrea Nahles will Ausnahme fürs DRK
Wenn das Uniklinikum die bewährten Pflegekräfte dennoch behalten wollte, müsste es sie übernehmen. Darauf jedenfalls setzen der Personalrat und Verdi genauso wie der Betriebsrat der DRK-Schwesternschaft. „Die große Mehrheit der Schwestern würde gern zu Beschäftigten des Uniklinikums werden“, hatte die Betriebsratsvorsitzende, Andrea Elliot, schon Tage vor dem Urteil bekräftigt. Der Uniklinik-Personalrat wurde am Dienstag deutlicher: „Wir fordern die Dienststelle auf, die rechtskräftige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu beachten, sich rechtmäßig zu verhalten und die betroffenen Beschäftigten unverzüglich in ein Arbeitsverhältnis zum Universitätsklinikum Essen überzuleiten.“
Ob es tatsächlich so kommt, ist allerdings spätestens seit Freitag wieder ungewiss. Denn der Bundesverband der 33 DRK-Schwesternschaften hatte sich für das Urteil gewappnet und im Vorfeld seinen Präsidenten Rudolf Seiters, den ehemaligen Bundesinnenminister, ins politische Feld geschickt. Dessen Lobbyarbeit scheint Früchte zu tragen. Denn Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles scheint bereit zu sein, eine Ausnahme für die DRK-Schwesternschaften zu machen. Sie sollen innerhalb der Arbeitnehmerüberlassung unbefristet ausgeliehen werden dürfen. Das DRK-Gesetz müsste entsprechend geändert werden.
Beim Essener Betriebsrat der DRK-Schwesternschaft stößt der Kompromiss auf völliges Unverständnis. Auch der Personalrat am Uniklinikum fühlt sich vor den Kopf gestoßen. Die Essener haben deshalb Nahles und die Bundestagsfraktionen angeschrieben, um die angekündigte Änderung zu verhindern. Gelingt das nicht, könnte der am Dienstag vor dem BAG erzielte Erfolg sich schnell wieder in Luft auflösen.
Uniklinikum bedauert Urteil zu DRK-Schwestern
Das Uniklinikum reagierte gelassen auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes und plant keine Übernahme der Schwestern: „Voraussichtlich kann die Zusammenarbeit zwischen der Universitätsmedizin Essen, der Ruhrlandklinik sowie der DRK-Schwesternschaft Essen fortgeführt werden“, teilte die Klinik mit.
Sie setzt damit auf das Modell, auf das sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und der Präsident des DRK, Rudolf Seiters, geeinigt haben. „Wir bedauern, dass das BAG den bisherigen Status der Rotkreuzschwestern nicht fortgeschrieben hat“, sagte Thorsten Kaatze, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums Essen und Geschäftsführer der Ruhrlandklinik.
„Die gute Nachricht für die Patienten, die Mitarbeiter sowie die Mitglieder der DRK-Schwesternschaft Essen ist, dass wir die vertrauensvolle Zusammenarbeit voraussichtlich fortführen können. Hierzu bedarf es einer genauen Analyse der ausstehenden schriftlichen Entscheidungsbegründung des BAG.“