Essen. Beim Essener Chor für Krebskranke und deren Angehörige hat sich Einiges getan: So öffnet er sich ab sofort auch für weitere Patienten.

„In einer schweren Krise begreifen wir erst, was wichtig ist im Leben.“ So fasst Véronique Coutu die Idee des Chors „Singen für Dein Leben“ zusammen. Coutu ist neue musikalische Leiterin des Chors, der bis vor kurzem „Chors fürs Leben“ hieß und eine Gruppe aus Krebspatienten und ihren Angehörigen vereinter. Die 36-Jährige hat den Chor von Anne-Marie Blink übernommen , die jetzt einen Chor im Huyssensstift leitet, und die Kanadierin hat einiges verändert. Der Name ist neu und das Konzept: Der Chor hat sich für weitere Patienten und deren Angehörige geöffnet: Menschen mit Depressionen, Burn-Out oder Multipler Sklerose sind willkommen. Grund dafür ist, dass einige dieser Krankheiten zusammenhängen.

Über die Öffnung des Chors wurde diskutiert

Véronique Coutu erklärt: „Viele Menschen, die an Krebs erkrankt sind, bekommen auch eine Depression. Sich das einzugestehen, ist allerdings sehr schwer. Das geht oftmals besser in einer Gruppe, deren Mitglieder aus eigener Erfahrung wissen, was man durchmacht.“

Allerdings habe sich die neue Chorleiterin mit Projektleiterin Nora Meyer-Galow vorab gefragt, ob durch eine Öffnung zu anderen Krankheiten das bestehende Zusammengehörigkeitsgefühl der bisherigen Chormitglieder nicht leidet? Letztendlich habe sich aber der Gedanke durchgesetzt, dass alle zusammen ihre Erfahrungen mit den Krankheiten austauschen können – und sich damit dann wiederum gegenseitig bereichern.

Großes Abschlusskonzert im Herbst

Wenn Véronique Coutu mit ihrem Chor zusammenkommt, stehen Gospel und moderne Popmusik auf dem Programm. Einmal im Monat treffen sich alle Mitglieder zu einem Workshop im Chor-Forum an der Kronprinzenstraße. Freitags und samstags wird dann sieben Stunden lang gesungen. „Wir nehmen uns viel Zeit für das Singen, aber auch für das Kennenlernen“, erklärt Coutu. Ein Abschlusskonzert im Herbst rundet dann den Workshop ab.

Coutu ist ausgebildete Opernsängerin. Geboren und aufgewachsen in Montreal in Kanada, kam die heute 36-Jährige als junge Erwachsene nach Europa. In Montreal studierte sie anfangs Französische Literatur, bevor sie ins musikalische Fach wechselte. In dieser Zeit sang sie im Chor und spürte dabei, dass sie Opernsängerin werden möchte. An einem Konservatorium leitete sie schließlich ihren ersten Chor.

Konzerte in Kliniken und bei Firmen

Später sang sie auch mit Senioren und Patienten in einem Krankenhaus. Das hilft ihr bei ihrer Chorarbeit in Essen. Nach Konzerten in den USA und Kanada entschloss sie sich, nach Europa überzusiedeln. „In Kanada gibt es viele gute Opernsänger, aber nur sehr wenige Opernhäuser. Das ist in Europa anders“, sagt sie. Nach Engagements in Paris ging sie nach Mailand und sang in der Scala. Anschließend kehrte sie nach Paris zurück, wo sie ihren Mann kennenlernte. Mit ihm zog sie vor drei Jahren nach Essen. Ihre Stimmlage ist der Sopran. „Ich mag Opern von Mozart und Puccini“, sagt sie. So hat sie beispielsweise die Gräfin Almaviva in Mozarts „Hochzeit des Figaro“ gesungen.

Ein Chor nicht nur für Kranke

Geplant ist, mit dem Chor in Krankenhäuser und Hospize zu gehen. „Die Menschen dort sollen eine Chance haben mitzusingen, auch wenn sie nicht zu unseren Proben kommen können“, erklärt Coutu. Über Lautsprecher könne man die Musik in Zimmer übertragen. Außerdem soll es Etagen-Konzerte geben. Die sind meist kurz, weil es manche Musiker körperlich nicht schaffen, auf jeder Etage ein volles Programm zu bieten. Unternehmen stehen ebenfalls in den nächsten Monaten auf der Besuchsliste. „Burn-Out wird in Betrieben immer mehr zum Thema. Trotzdem ist unser Chor ist nicht nur für Kranke gedacht. Auch Gesunde können mitmachen“, betont Coutu. Zukunftspläne für den Chor hat sie auch schon: „Wir wollen wachsen. Wenn die Plätze im ersten Chor nicht ausreichen, machen wir einen zweiten oder dritten auf.