Der Schienenverkehr in Nordrhein-Westfalen steht vor den größten Veränderungen seit Jahrzehnten – und Essen dürfte davon stark profitieren.

Fest steht: Ein gewohntes Bild am Hauptbahnhof wird bald seltener werden. Weil die Deutsche Bahn mit ihrem Tochterunternehmen DB Regio bei vielen Ausschreibungen im Schienenverkehr den Kürzeren gezogen hat, werden die roten Regionalzüge und S-Bahnen in der Zukunft nur noch auf wenigen Linien unterwegs sein. Stattdessen wird das Design der unterschiedlichen Privatbahnen dominieren.

Es sind aber nicht nur die neuen Farben: Der Schienenverkehr in Nordrhein-Westfalen steht vor den größten Veränderungen seit Jahrzehnten – und der Essener Hauptbahnhof befindet sich aufgrund seiner zentralen Lage im Zentrum der Entwicklungen. Erst kommt das neue S-Bahn-Konzept, dann der Rhein-Ruhr-Express (RRX). Bis alles fertig ist, wird es allerdings noch bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts dauern. Ein Überblick.

Rhein-Ruhr-Express

Sieben RRX-Linien, fünf davon halten in Essen


  • 15-Minuten-Takt zwischen Köln und Dortmund

  • Moderne Züge mit 800 Sitzplätzen und stufenlosen Einstiegen

  • Die ersten RRX-Züge fahren ab Dezember 2018 auf der Linie RE11, betrieben von Abellio

  • Das gesamte Konzept dürfte aber nicht vor 2030 fertig sein

  • Lange Zeit nannte die Bahn kein offizielles Datum, jetzt hat sie sich festgelegt: Bis 2030 soll die Infrastruktur bereit sein für die neuen, schnelleren Nahverkehrszüge. Erst dann können die RRX-Linien zwischen Köln und Dortmund im 15-Minutentakt fahren.

    Insgesamt steckt der Bund 2,5 Milliarden Euro in das Projekt. Die ersten Bauarbeiten sollen im März 2017 im Raum Köln beginnen. Schwerpunkt der Bauarbeiten ist das Nadelöhr zwischen Köln und Duisburg. Dort wird vier- bis sechsspurig geplant, damit die Züge in der dichten Taktfolge fahren können. Auf Essener Stadtgebiet sind vergleichsweise geringe Maßnahmen notwendig, zwei Regionalzuglinien werden über Steele umgeleitet, dafür müssen einige neue Weichen und ein Tunnel vor dem Halt Steele-Ost gebaut werden.

    Der Essener Hauptbahnhof in Zahlen

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    Minuten dauert die Fahrt vom Hauptbahnhof zum S-Bahn-Halt Essen West. Kein Bahnhof ist näher dran am Hauptbahnhof. 609 Minuten im ICE sind es hingegen zum Hauptbahnhof in Wien, dem am weit entferntesten von Essen ohne Umsteigen erreichbare Ziel.

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    Eisenbahnverkehrsunternehmen fahren den Hauptbahnhof derzeit an: DB Regio, Abellio und die Nordwestbahn im Regionalverkehr, DB Fernverkehr, Thalys und der Hamburg-Köln-Express (HKX) im Fernverkehr. In diesen Markt kommt in den nächsten Jahren ordentlich Bewegung.

    5700

    Quadratmeter Vermietungsfläche gibt es insgesamt im Hauptbahnhof. Im Vergleich mit Köln (11.500 Quadratmeter), Düsseldorf (9928 Quadratmeter) und Dortmund (9693 Quadratmeter) steht Essen deutlich zurück.

    40

    Mieter hat der Bahnhof derzeit – von der Bahnhofsbuchhandlung über mehrere Bäcker bis zum Schnellrestaurant. Mit Starbucks, McDonalds oder Subway findet man die typischen Gastronomie-Ketten, zu den Besonderheiten gehört die Filiale des Discounters Lidl, auch die Drogeriekette DM hat dort eine Niederlassung. 

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    Kassen gibt es in der Lidl-Filiale, 54 Mitarbeiter arbeiten dort, 1600 Produkte sind im Angebot. Mehr will die Pressestelle des Unternehmens nicht über das Geschäft verraten.

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    Bahnhofskneipen gibt es im Hauptbahnhof. Die Traditionskneipe „Bierfass“ mit ihrer rustikalen Eichenholzeinrichtung überlebte den Umbau zur Kulturhauptstadt nicht, passte nicht mehr ins Konzept.

    170 000

    Besucher hat der Essener Hauptbahnhof am Tag. Gemessen an dieser Zahl gehört er zu den zehn größten in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen zählen lediglich die zentralen Bahnknotenpunkte in Köln (280.000) und Düsseldorf (250.000) mehr Besucher.

    81 Prozent

    der Deutsche-Bahn-Kunden denken beim Stichwort Bahn zuerst an den Bahnhof. Das hat zumindest eine Kundenumfrage der Bahn ergeben. Demnach ist der Bahnhof der Identifikations-Faktor Nummer eins für Zugreisende, deutlich vor dem ICE.

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    Bahnhöfe werden insgesamt vom Bahnhofsmanagement Essen betreut. Dazu gehören insgesamt 26 Bahnhöfe auf Essener Stadtgebiet, zuvorderst der Hauptbahnhof. Hinzu kommen unter anderem die Hauptbahnhöfe in Bochum, Gelsenkirchen, Wanne-Eickel oder Witten. Das Bahnhofsmanagement kümmert sich um Organisation und Service.

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    Millionen Euro hat der Umbau des Hauptbahnhofes rechtzeitig zum Kulturhauptstadtjahr 2010 gekostet. Gearbeitet und saniert wurde insgesamt 16 Monate lang.  Zum Vergleich: Für die im kommenden Jahr beginnende Modernisierung des Duisburger Hauptbahnhofes sind rund 150 Millionen Euro veranschlagt.

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    Stunden am Tag ist der Bahnhof für die Öffentlichkeit zugänglich. Es halten auch die gesamte Nacht über Züge im Bahnhof. Wer mitten in der Nacht Hunger verspürt: Das McDonalds-Restaurant schließt seine Türen nie.

    800

    Züge im Linienverkehr halten durchschnittlich am Bahnhof – und das jeden Tag: 400 S-Bahnen, 220 Regionalzüge und 180 Fernverkehrszüge.

    664

    Meter misst der längste Bahnsteig in Essen - der Bahnsteig an Gleis 4. Essen ist damit in der Rangliste der längsten Bahnsteige in Deutschland weit vorne, angeblich hat Mainz den längsten mit über 700 Meter. Zum Vergleich: Der neue ICE 4 ist 346 Meter lang.

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    Gleise gibt es im  Hauptbahnhof insgesamt. Gleis drei hat keinen Bahnsteig, acht Gleise sind Durchgangsgleise, außerdem gibt es fünf sogenannte Stumpfgleise. Diese Gleise enden am Hauptbahnhof. Die abgetrennten Seitenbahnsteige 21/22 weichen von der durchgehenden Nummierung ab. Die Bahnsteige 13 bis 20 fehlen deshalb komplett.

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    Stellwerke im Stadtgebiet sind ständig besetzt. Neben dem am Hauptbahnhof  noch die in Steele und Altenessen. Vom großen Stellwerk aus wird nicht nur der Bahnhofsverkehr gesteuert, sondern unter anderem die S6-Strecke bis Ratingen.

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    Jahre musste die Essener Bundespolizei darauf warten, wieder in den Bahnhof einziehen zu können. Während des Umbaus wurde die Wache 2009 an die Herkulesstraße verlegt, 800 Meter vom Ort des Geschehens entfernt. Eigentlich war der Rückumzug früher geplant, doch weil eine bei den Arbeiten beteiligte Firma pleite ging, verzögerte er sich bis Juli 2016.

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    Auf die ersten Züge im Gewand des RRX müssen Fahrgäste nicht bis 2030 warten. Denn mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2018 übernimmt Abellio Rail NRW den RE11 und lässt die ersten von 82 modernen Siemens-Züge auf die Schiene. „Das bringt schon die ersten Verbesserungen für die Kunden“, sagt Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn. „Die Fahrzeuge haben 800 Sitzplätze, ebenerdige Einstiege und eine bessere Beschleunigung.“ Im Dezember 2019 übernimmt dann National Express den RE6, im Juni 2020 folgt Abellio mit dem RE1. Dieser sogenannte Vorlaufbetrieb läuft dann, bis der Zielzustand in der Infrastruktur erreicht ist. Ebbers: „Jeder Schritt hin zum RRX bringt eine kleine Verbesserung.“ Letztlich halten fünf von sieben Linien in Essen: RRX1 (Aachen-Dortmund), RRX2 (Aachen-Kassel), RRX4 (Koblenz-Bielefeld), RRX6 (Koblenz-Minden) und RRX7 (Düsseldorf-Münster).

    S-Bahn-Konzept

    Umstellung auf einen 15-/30-Minuten-Takt auf den Kernstrecken


  • Bessere Nord-Süd-Verbindungen

  • Reaktivierung der Hertener Bahn, alle 60 Minuten von Essen über Herten nach Recklinghausen

  • Neue oder verlängerte RE-Linien, Direktverbindung zum Niederrhein

  • Fahrzeit nach Wuppertal verkürzt sich um 9 Minuten

  • Schon deutlich früher, mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2019, startet das neue S-Bahn-Konzept für die Rhein-Ruhr-Region. Betrieben wird es von Abellio und der Eurobahn. Die wichtigste Neuerung ist die Umstellung auf einen 15- oder 30-Minutentakt – je nach Nachfrage. So fährt die S1 zwischen Essen und Dortmund unter der Woche alle Viertelstunde. Angepasst an die neuen Fahrpläne der S-Bahnen wird es auch Veränderungen bei den Regionalzüge geben. Neu geschaffen wird der RE49, der von Wuppertal über Essen und Oberhausen nach Wesel fährt und auch in Steele und Kupferdreh halten soll. Der RB 33 wird von Duisburg nach Essen verlängert, der RE14 (von und nach Borken) fährt alle 30 Minuten und von montags bis samstags weiter bis nach Steele.

    Reaktiviert werden soll auch die Hertener Bahn, alle 60 Minuten fährt die S9 dann über Herten nach Recklinghausen. Wahrscheinlich wird diese Verbindung mit neuen Haltestellen aber nicht mehr bis zum Fahrplanwechsel 2019 fertig.

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