Essen. . Thomas Rother hat im Laufe von dreißig Jahren den Kunstschacht Zollverein aufgebaut – eine Mischung aus Wohnraum, Atelier und Ausstellungshalle.

„Bergwerk Zollverein“ steht auf dem Schild an der im zollvereintypischen Rotbraun gestrichenen Stahltür. So als sei die Zeit stehengeblieben. „Glückauf“, begrüßt Thomas Rother die Besucher, ehe er sie in sein faszinierendes Reich hineinbittet. Den Bergmannsgruß entbietet er gerne, obwohl er selbst in seinem Leben kein einziges Gramm Kohle gefördert hat.

Es ist gar nicht so einfach, dem 79-Jährigen ein treffendes Etikett zu verpassen. Er ist gelernter Maurer und Journalist, Sachbuchautor und Schriftsteller, Bildender Künstler und Ruhrgebietshistoriker.

„Pionier und Methusalem, Visionär und Einzelkämpfer“

Im Vorwort zu Rothers neuem Buch „grenzen los“ (Asso, 14,90 Euro) verneigt sich Oliver Scheytt, der ehemalige Essener Kulturdezernent, fast schon ehrfürchtig vor dem „Pionier und Methusalem, Visionär und Einzelkämpfer, Bewahrer und Gestalter“. Und wie nennt sich Rother selbst? „Ich bin der Kunst-Kumpel“, sagt er mit Stolz in der Stimme.

Rother und Zollverein: Keiner hat den tiefgreifenden Wandel vom Bergwerk zum Welterbe so hautnah miterlebt und sogar mitgestaltet wie er. Als er Anfang der 1980er-Jahre ein Atelier sucht, springt ihm kein geringerer als Oberbürgermeister Peter Reuschenbach zur Seite.

Thomas Rother lernt 1982 den damaligen Bergwerksdirektor Hans-Peter Richter und seinen Tagesbetriebsführer Heinz Geppert kennen. Und obwohl Schacht XII damals noch jeden Tag 12 000 Tonnen Kohle fördert, erlauben ihm die Zollverein-Direktoren, die alte Kompressorenhalle (heute „Casino“) zu nutzen. „Ich wurde Mitte 1985 auf Zollverein angelegt“, lächelt Rother. „Und es waren die Bergleute, die das Wort Kunst-Kumpel für mich erfanden.“

Aus der alten Maschinenhalle wird ein Kunstschacht

Anfang der 1990er-Jahre schließlich zieht er um in eine imposante Maschinenhalle von Schacht 1/2/8, die zuletzt als Schreinerei diente. „Ich brauchte zwei Dutzend Lkw-Touren, um die Halle leerzuräumen.“ Längst sind Rother und seine Frau Christa Eigentümer dieser Immobilie, die als „Kunstschacht“ ein fester Begriff auf Zollverein geworden ist.

In der spannendsten Phase von Zollverein, als es nämlich darum ging, die „schönste Zeche der Welt“ in ein Industriedenkmal zu verwandeln, hat er sich vehement eingemischt. Als Redakteur der Essener WAZ-Lokalredaktion gelingt es ihm immer wieder, fruchtbare Debatten mitanzustoßen.

Konferenztisch von der Kokerei Buer Hassel

Nur wenige Tage nach der Stilllegung von Zollverein lässt er den SPD-Landtagsabgeordneten Gerd Peter Wolf zu Wort kommen, der eine „Bauhütte für Zollverein“ vorschlägt. Wenige Jahre später ist sie Wirklichkeit.

Oliver Scheytt nennt Rothers riesige Halle – Wohnraum, Atelier und Ausstellungshalle in einem – respektvoll „Wunderkammer“. Mittendrin sitzt der Kunst-Kumpel an einem sieben Meter langen Konferenztisch, den er auf der alten Kokerei Buer Hassel ergattert hat. „Die Stühle standen früher in der alten RAG-Zentrale.“

Ein Höhepunkt: die Sammlung der Barbarafiguren

Es ist eine verwirrende Vielfalt an Bergbauobjekten, die sich hier in drei Jahrzehnten angesammelt hat: vom Trödel bis zum museumsreifen Exponat. Zu den Höhepunkten zählt die Sammlung der 55 Barbara-figuren, der Patronin der Bergleute. Es ist wohl die größte öffentlich zugängliche Sammlung dieser Art.

Zollverein ist für Rother „ein gigantischer Ort der Inspiration und der Erinnerung“. 1986-2016-2046: Er hofft, dass Zollverein in dreißig Jahren bestaunt wird als Industrieerbe. Dass es ein gewaltiges Monument des Andenkens an die Arbeit zigtausender Bergleute und ihrer Familien bleibe und als lebendiger Kunstort Menschen berühre, das sei die Aufgabe der Gegenwart. Immer noch Visionär sagt er: „Zukunft wird heute geboren. Daran mitzuwirken, ist ein Privileg.“

>>DER KUNSTSCHACHT VON ZOLLVEREIN

Besichtigungen des Kunstschachts Zollverein sind nach telefonischer Vereinbarung unter 30 48 81 (lange klingeln lassen) möglich. Eintritt: 2,50 Euro.

Der Kunstschacht befindet sich im Areal B, Bullmannaue 21, direkt gegenüber vom Pact.

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